Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Betriebskostenguthaben. unzulässige Aufrechnung mit Mietrückständen. Zumutbarkeit der Rückgängigmachung. Hinweis- und Beratungspflicht des Jobcenters
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Aufrechnung des Betriebskostenguthabens durch den Vermieter mit Mietrückständen eines Mieters dann nicht zulässig, wenn der Mieter Empfänger von Leistungen nach dem SGB II ist. Damit ist es einem Leistungsempfänger grundsätzlich im Rahmen der Selbsthilfeobliegenheit nach § 2 Abs 1 S 1 SGB II zuzumuten, auf die Rückgängigmachung einer rechtswidrigen Aufrechnung hinzuwirken und unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung die Forderung zu realisieren.
2. Wenn es für einen rechtsunkundigen Kläger nicht ersichtlich ist, dass die Aufrechnungserklärung des Vermieters rechtswidrig sein könnte, ist ein Jobcenter auf Grund seiner Hinweis- und Beratungspflicht grundsätzlich verpflichtet, dem rechtsunkundigen Hilfebedürftigen das von ihm befürwortete Vorgehen gegenüber dem Vermieter aufzeigen und ihn in die Lage versetzen, seine Rechte gegenüber dem Vermieter wahrzunehmen.
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 23. März 2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger auch im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte als Nachfolger der ARGE A.... (im nachfolgenden ARGE) wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 23. März 2012, welches der Klage der Kläger gerichtet gegen die Anrechnung eines Guthabens aus einer Betriebskostenabrechnung als Einkommen und einer sich hieraus ergebenden teilweisen Erstattungsforderung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) stattgegeben hat.
Die Klägerin zu 1 bezog zusammen mit dem mit ihr in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn, dem 2002 geborenen Kläger zu 2, seit 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der ARGE. Mit Bescheid vom 3. August 2009 bewilligte diese den Klägern vorläufig monatliche Leistungen für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 31. Januar 2010 in Höhe von 777,76 EUR (= 528,00 EUR [Regelbedarf für die Klägerin zu 1] sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 203,88 EUR [Klägerin zu 1] und 45,88 EUR [Kläger zu 2]) sowie für die Zeit vom 1. Februar 2010 bis zum 28. Februar 2010 in Höhe von 651,76 EUR (= 402,00 EUR [Regelbedarf für die Klägerin] sowie Kosten für Unterkunft und Heizung von 233,88 EUR [Klägerin zu 1] und 45,88 EUR [Kläger zu 2]).
Mit Schreiben vom 24. August 2009 übermittelte der Vermieter der Klägerin zu 1 die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2008 und teilte ihr mit, dass sich aus der Abrechnung ein Guthaben von 205,31 EUR zu ihren Gunsten ergebe. Abzüglich offener Mietrückstände in Höhe von 944,45 EUR ergebe sich allerdings eine Nachzahlung in Höhe von 739,14 EUR, die von der Klägerin zu 1 an ihn zu zahlen sei. Das Schreiben vom 24. August 2009 reichten die Kläger am 2. September 2009 bei der ARGE ein.
Mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 änderte die ARGE daraufhin die Leistungsbewilligung für September 2009 ab und setzte Leistungen nur noch für die Klägerin zu 1 in Höhe von 572,45 EUR (= 471,23 EUR [Regelbedarf] und 101,22 EUR [Kosten für Unterkunft und Heizung]) fest. Zugleich machte die ARGE mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 die Erstattung der in dieser Zeit zu Unrecht gewährten Leistungen im Hinblick auf die sich aus der Betriebskostenabrechnung 2008 ergebende Gutschrift geltend und forderte von den Klägern für die Zeit vom 1. September 2009 bis zum 30. September 2009 Leistungen in Höhe von insgesamt 205,31 EUR zurück. Hiervon entfiel auf die Klägerin zu 1 ein Betrag in Höhe von 159,43 EUR (= Regelleistungen in Höhe von 56,77 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 102,66 EUR) und auf den Kläger zu 2 ein Betrag in Höhe von 45,88 EUR (= Kosten für Unterkunft und Heizung). Den von den Klägern gegen die Bescheide vom 2. Dezember 2009 am 30. Dezember 2009 eingelegten Widerspruch wies die ARGE mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010 zurück.
Hiergegen haben die Kläger am 6. August 2010 Klage erhoben und darauf verwiesen, dass sie das Guthaben nie erhalten hätten. Dieses habe der Vermieter auf noch offene Miet- und Betriebskostenschulden angerechnet. Das Guthaben sei für sie nie ein tatsächlich vorhandener Geldwert gewesen.
Mit Urteil vom 23. März 2012 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 2. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Juli 2010 aufgehoben. Eine Anrechnung des Betriebskostenguthabens nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II auf die Kosten für Unterkunft und Heizung komme nicht in Betracht. Denn diese Vorschrift könne nur Anwendung finden, wenn dem Hilfebedü...