Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankheitsbegriff bei fettreduzierenden ärztlichen Maßnahmen

 

Orientierungssatz

1. Eine Fettgewebehyperplasie, überwiegend im Bereich des Gesäßes, des Bauches und der Oberschenkel, stellt bei bestehendem Übergewicht, aber fehlender Adipositas, keine körperliche Anomalität dar, die als Krankheit i. S. der gesetzlichen Krankenversicherung zu werten wäre.

2. Eine körperliche Entstellung stellt nur dann eine behandlungsbedürftige Krankheit dar, wenn das Erscheinungsbild erschreckend oder abstoßend wirkt.

3. Eine durch die körperliche Fettansammlung hervorgerufene psychische Belastung rechtfertigt keinen operativen Eingriff auf Kosten der Krankenversicherung. Diese ist zur Kostenübernahme für Operationen am gesunden Körper zur Behebung psychischer Störungen nicht verpflichtet.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 17. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten für die plastisch-chirurgische Behandlung einer Lipomatose.

Die 1951 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Mit Schreiben vom 29.04.2001 beantragte sie die Übernahme der Kosten für fettreduzierende operative Maßnahmen bei extremer Lipomatose im Bereich des Abdomens, des Gesäßes und der Oberschenkel. Dem Antrag lag ein Attest der Chefärztin der Abteilung für Plastische Chirurgie des Krankenhauses S. D., Dr. W1, vom 24.04.2001 bei. Danach habe sich bei der Klägerin als Folge einer langjährigen Kortisontherapie bei Asthma bronchiale eine extreme Lipomatose mit Verlust der Hautelastizität im Bereich des Abdomens, des Gesäßes und der Oberschenkel ausgebildet. Oberkörper und Extremitäten seien schlank und stünden in krassem Gegensatz zu den Problemzonen. Abgesehen davon, dass das Gewicht der Fettansammlungen die Klägerin behindere, stelle die Deformierung für sie auch ein großes psychisches Problem dar. Eine Harmonisierung der Figur könne nur auf operativem Weg erreicht werden.

Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung der Klägerin durch Dipl.-Med. R1 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dieser stellte in seinem Gutachten vom 31.05.2001 die Diagnose einer lokalisierten Adipositas. Bei der Klägerin sei es infolge einer langjährigen Kortisontherapie wegen Asthma bronchiale zu einer Lipomatose im Bereich Gesäß, Bauch und Oberschenkel gekommen. Der geplante Eingriff müsse jedoch als kosmetisch korrigierend angesehen werden.

Gestützt auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 13.06.2001 die Kostenübernahme einer fettreduzierenden operativen Maßnahme ab.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 17.06.2001 machte die Klägerin geltend, es gehe um keine Fettreduktion, sondern um die Entfernung überschüssigen und defekten Bindegewebes an den Innenseiten der Oberschenkel und am Bauch; dabei müssten Fettzellen nur mit entfernt werden. Es sei eine Indikation schon gegeben, da sie sich die Oberschenkel immer aufreibe, wenn sie keine Hosen oder Strumpfhosen trage; bei warmem Wetter sei das mehr als störend und unzumutbar. Sie leide psychisch sehr, gehe nicht mehr baden und schwimmen. Auch in ihrer Ehe habe sie zu leiden, so dass diese gefährdet sei.

Der MDK (Dr. M1) riet in einem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 26.06.2001 weiterhin von einer Kostenübernahme ab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.08.2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es lägen bei der Klägerin zwar gewisse Disproportionen vor, die aber nicht als erheblich von der Norm abweichend oder als entstellend bezeichnet werden könnten; sie hätten damit keinen Krankheitswert. Sofern die Ehe auf Grund des Äußeren der Klägerin gefährdet sei, könne und dürfe nicht das Skalpell das Mittel der Wahl sein. Dieses Problem müsse mit einer psychotherapeutischen Behandlung angegangen werden.

Am 21.08.2001 hat die Klägerin beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin die begehrte plastisch-chirurgische Behandlung stationär durch Dr. W1 durchführen lassen:

- Am 21.01.2002 sind im Krankenhaus S. D. durch eine Liposuktion an Gesäß und Oberschenkel 4.000 ml Fettgewebe abgesaugt worden.

- Im selben Krankenhaus ist am 08.04.2002 eine Liposuktion der Oberschenkel mit Absaugung weiterer 1.300 ml Fettgewebe und eine mediale Oberschenkelstraffung erfolgt.

- Am 06.03.2003 ist im J.-Krankenhaus D. nach Absaugung weiterer 850 ml Fettgewebe eine Abdominalplastik mit Resektion eines Gewebeüberschusses von 800 g vorgenommen worden.

- Am 08.04.2004 sind im Klinikum P. bei einer Absaugung der Restlipomatose im Bereich des Rückens, der Taille, des Gesäßes und der lateralen Oberschenkel 1.800 ml Fettgewebe entfernt worden.

Der Klägerin sind für die erste Operation 2.100,00 €, für die zweite Operation 2.300,00 €, für die dritte Operation 2.500,00 € und für die vierte Op...

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