Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Beseitigung von Hautlappenüberschüssen nach Gewichtsreduktion begründen keine Leistungspflicht der Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Die Leistungspflicht der Krankenkasse setzt das Bestehen einer behandlungsbedürftigen Krankheit voraus. Infolge einer Reduzierung des Körpergewichts entstandene Hautlappenüberschüsse i. S. sog. Fettschürzen sind keine Krankheit, weil damit keine körperliche Fehlfunktion verbunden ist.
2. Soweit hierdurch der Eintritt einer psychischen Belastung geltend gemacht wird, rechtfertigt dies nicht eine Ganzkörperstraffung zu Lasten der Krankenkasse. Solchen Belastungen ist mit Mitteln der Psychiatrie und der Psychotherapie zu begegnen.
3. Um eine die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs wegen einer behandlungsbedürftigen äußerlichen Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Um die rechtlich relevante Auffälligkeit zu begründen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf operative Ganzkörperstraffung ihrer Haut zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Die 0000 geborene Klägerin hatte Ende 2007 ein Körpergewicht von 180 kg bei einer Größe von 170 cm. Dies entsprach einem BMI (Body-Mass-Index) von 62,3. Durch Ernährungsumstellung und sportliche Aktivitäten nahm sie 95 kg ab und wog im April 2015 nur noch 85 kg (BMI: 29,4). Durch die Gewichtsreduktion kam es zu einem generalisierten Hautüberschuss mit herabhängender Haut an Ober- und Unterbauch, Brust, Armen, Oberschenkeln und Gesäß. Dadurch bedingt kam es zu vermehrtem Schwitzen, ständiger Feuchtigkeitsansammlung mit Ekzemen und Hautentzündungen im Sinne von Intertrigo im Bereich der Haut-Umschlagfalten, hygienischen Problemen im Alltag, Schamgefühl mit Libidoverlust, Problemen beim Sport und bei der Bekleidungsausstattung (Bericht der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie des K.-hospitals Aachen vom 24.04.2015). Nach eigenen Angaben war die Klägerin wegen der Hautirritationen einmal beim Hautarzt; die weiteren Verordnungen von Cremes, Pudern und (Pilz-)Salben erfolgten durch den Hausarzt.
Am 28.05.2015 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine operative Ganzkörperstraffung/Fettschürzenoperation in mehreren Schritten. Sie legte hierzu den Bericht der Ärzte des K.-hospitals vom 24.04.2015 vor, in dem diese eine gebietsbezogene Entfernung der Hautüberschüsse in mehreren operativen Schritten als "alleinige sinnvolle Behandlungsmaßnahme" ansahen, für die "eine eindeutige medizinische Indikation" gegeben sei. Desweiteren legte die Klägerin Atteste der Allgemeinmediziner Dr. P. vom 16.03.2015 und Dr. I. vom 31.03.2015 vor, in denen die Operation "aus psychischen und dermatologischen Gründen" befürwortet wurde, und überreichte Lichtbilder ihres Körpers.
In einem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 18.06.2015 stellte Dr. F. nach Untersuchung der Klägerin fest, die bei dieser bestehenden Hautweichteilüberschüsse erreichten kein krankhaftes Ausmaß; es würden dadurch weder funktionelle Defizite noch hautärztlich therapierefraktäre Hautentzündungen verursacht; sie führten auch nicht zu einer Entstellung. Seelische Beschwerden sollten mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie, nicht jedoch mit operativen Eingriffen an der Körperkontur behandelt werden. Der MDK verwies auf die sozialgerichtliche Rechtsprechung verschiedener Landessozialgerichte und des Bundessozialgerichts.
Gestützt hierauf lehnte die Beklagte den Antrag durch Bescheid vom 19.06.2015 ab.
Dagegen erhob die Klägerin am 07.07.2015 Widerspruch. Sie legte hierzu ärztliche Bescheinigungen ihrer behandelnden Frauenärztin Dr. C. vom 31.07.2015, der Hautärztin Dr. L. vom 25.08.2015, der Ärzte des K.-hospitals vom 17.08.2015 und des Allgemeinmediziners Dr. P. vom 16.07.2015 vor, in denen diese die operativen Maßnahmen befürworteten. Die Klägerin meinte, es handele sich um einen medizinisch notwendigen Eingriff, nicht um eine kosmetisch begründete Maßnahme.
In einem weiteren von der Beklagten veranlassten MDK-Gutachten vom 17.09.2015 kamen Dr. N. und Dr. G. zu keiner anderen Beurteilung als das Vorgutachten. Die MDK-Ärztinnen führten aus, zum Zeitpunkt der Untersuchung hätten Hautreizungen unter den Brüsten sowie im Bereich der Oberarme, der Bauchfalte und der Oberschenkel nicht bestanden; im Übrigen seien solche gegebenenfalls behandelbar; es hätten sich keine Hinweise auf ein therapierefraktäres Ekzem im Bereich der Hautfalten ergeben.
Darauf wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 09.11.2015 zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 11.12.2015 Klage erhoben. Sie verweist auf das Attest des K.-hospitals vom 24.04.2015. Sie meint, die Beklagte gehe rechtsirrig davon aus, dass die Krankheit, für welche die Ganzkörperstraffung ve...