Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhen des Anspruchs auf Eingliederungshilfe bei anderer Sozialleistung. kasachische Invalidenrente. vergleichbarer Anspruch. Wertlosigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Rente nach der Invaliditätsgruppe II nach kasachischem Recht ist mit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach deutschem Recht vergleichbar.
2. Tatsächlich wertlose Rentenansprüche gegen ausländische Träger führen nicht zum Ruhen des Anspruchs auf Eingliederungshilfe für Spätaussiedler.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 08. August 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Eingliederungshilfe für Spätaussiedler ab 30. Juli 1999.
Die Klägerin ist Spätaussiedlerin. Sie war vom 1. September 1994 bis 30. März 1999 als Dozentin am pädagogischen Institut K. (Kasachstan) bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden beschäftigt. Nach dem von der Klägerin (in eigener vorgenommenen Übersetzung) vorgelegtem Arbeitsbuch erfolgte ihre Entlassung als Oberlehrerin auf Grund der Anordnung der Invalidenrente. Seit 17. Juli 1999 hält sie sich in Deutschland auf.
Ausweislich der Bescheinigung der Sozialmedizinischen Sachverständigenkommission anlässlich einer Begutachtung in K. am 16. März 1999 wurde bei der Klägerin wegen ihres Sehvermögens bis April 2000 das Vorliegen der Invaliditätsgruppe II nach kasachischem Recht festgestellt. Rentenzahlungen hat sie nach ihren Angaben nicht erhalten. Diese Angaben der Klägerin hat die Beklagte bestätigt. Auch eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach deutschem Recht bezieht die Klägerin wegen vollschichtigen Leistungsvermögens nicht. Sie bestreitet ihren Lebensunterhalt mit Sozialhilfe.
Einen Antrag auf Eingliederungshilfe vom 19. Juli 1999 lehnte die Beklagte durch bindenden Bescheid vom 29. Juli 1999 ab. Auch dem weiteren Antrag vom 30. Juli 1999 gab die Beklagte mit Bescheid vom 10. August 1999 nicht statt. Als Invalide der Gruppe II stehe die Klägerin der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes nicht zur Verfügung. Verfügbarkeit setze Arbeitsfähigkeit und Arbeitsbereitschaft voraus. Arbeitsfähig sei ein Arbeitsloser aber nur, wenn er eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes aufnehmen und ausüben könne und dürfe.
Frau Dr. T., Fachärztin für Augenheilkunde, teilte in ihrem Befundbericht vom 8. März 2002 mit, die Klägerin habe zunächst unter einer erheblichen Herabsetzung ihrer Sehschärfe gelitten. Nach einer ersten Operation am rechten Auge im August 1999 (Krankenhausaufenthalt im V.-Klinikum P. vom 17. August 1999 bis 23. August 1999) und einer zweiten Operation am linken Auge im Dezember 1999 habe sich (jeweils) ein "bester postoperativer Erfolg mit Anstieg der Sehschärfe" eingestellt. Ausweislich Blatt 23 der Verwaltungsakte war die Klägerin über den Krankenhausaufenthalt im V.-Klinikum P. vom 17. August 1999 bis 23. August 1999 hinaus weiter arbeitsunfähig.
Mit Schreiben vom 1. September 1999 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 10. August 1999 mit der Begründung Widerspruch ein, trotz ihrer Erkrankung habe sie bis 30. März 1999 als Dozentin am Pädagogischen Institut in K. gearbeitet. Sie sei daran interessiert, auch in Deutschland eine Beschäftigung aufzunehmen.
Vom 2. September 1999 bis 17. September 1999 war sie erneut arbeitsunfähig (Erstbescheinigung durch Fachärzte für Allgemeinmedizin).
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar habe die Klägerin in der Vorfrist vom 30. Juli 1998 bis 29. Juli 1999 mindestens fünf Monate in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gestanden, jedoch bestehe seit 16. März 1999 ein Anspruch auf eine russische Invalidenrente der Gruppe II. Der Anspruch auf Eingliederungshilfe ruhe gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) i. V. m. § 421 Abs. 1 SGB III während der Zeit, für die ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt sei. Gemäß § 142 Abs. 3 SGB III gelte Abs. 1 auch für einen vergleichbaren Anspruch auf eine andere Sozialleistung, den ein ausländischer Träger zuerkannt habe. Die russische Invalidenrente in der Gruppe II sei mit einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vergleichbar. Funktion und Zweckbestimmung beider Leistungen entsprächen sich.
Dagegen hat die Klägerin am 26. November 1999 Klage beim Sozialgericht Chemnitz erhoben. Es sei ihr zwar eine Invalidenrente der Gruppe II zuerkannt worden, weil sie halb blind gewesen sei und nur noch Schatten gesehen habe. Die Rente sei jedoch nie ausgezahlt worden. Dies sei auch der Grund gewesen, warum sie durchgehend gearbeitet habe. Erst ab April 1999 habe sie wegen ihrer Krankheit nicht mehr gearbeitet. ...