Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 und in § 307d SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Zum Zusammentreffen von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Kindererziehungszeiten.
Orientierungssatz
1. § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 bewirkt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (vgl BVerfG vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 = BVerfGK 12, 81).
2. Auch im Hinblick auf den in § 307d SGB 6 geregelten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15. September 2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1.7.2014 unter Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten für eine pflichtversicherte Beschäftigung hat.
Die 1950 geborene Klägerin beantragte am 23.4.2014 bei der Beklagten eine Altersrente für Frauen / Altersrente für besonders langjährige Versicherte (§ 237a SGB VI, § 38 SGB VI). Hierauf bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 8.7.2014 eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1.7.2014. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 30.6.2014 erfüllt. Die Höhe der laufenden Zahlung betrage monatlich ab dem 1.7.2014 1.619,54 € abzüglich der Beitragsanteile zur Krankenversicherung in Höhe von 132,80 € und zur Pflegeversicherung in Höhe von 33,20 €, mithin monatlich 1.453,54 €. Berücksichtigt worden seien Zeiten der Kindererziehung für J. (geb. 1973) für den Zeitraum 1.2.1973 bis 31.1.1975 und für Z. (geb. 1980) für die Zeit vom 1.10.1980 bis 30.9.1982. Zu berücksichtigen seien persönliche Entgeltpunkte (Ost) bei der Klägerin in Höhe von 61,3693. Davon entfielen insgesamt 3,5164 Entgeltpunkte (Ost) auf die Kindererziehungszeiten. Im Einzelnen stelle sich die Summe der Entgeltpunkte (Ost) wie folgt dar: Die Entgeltpunkte Ost für Beitragszeiten beliefen sich auf 59,2392. Davon entfielen 3,5164 Entgeltpunkte (Ost) auf Kindererziehungszeiten. Hinzu kämen für beitragsfreie Zeiten 0,2502 Entgeltpunkte (Ost) und zusätzlich für beitragsgeminderte Zeiten 1,8799 Entgeltpunkte (Ost), insgesamt 61,3693 Entgeltpunkte (Ost). Dabei begrenzte die Beklagte die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte, die sich für Kindererziehungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in den Monaten Oktober 1973 bis Dezember 1973, Januar 1974 bis Dezember 1974, September 1981 bis Dezember 1981 und Januar 1982 bis September 1982 ergaben, auf die Höchstbeträge der Anlage 2b zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI), so dass für diese Zeiten die zusätzlichen Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung von monatlich 0,0833 Entgeltpunkten reduziert wurden.
Den hiergegen am 23.7.2014 erhobenen Widerspruch, den die Klägerin im Wesentlichen mit der aus ihrer Sicht bestehenden Verfassungswidrigkeit der Begrenzung der Entgeltpunkte für Zeiträume des Zusammentreffens der Kindererziehungszeiten und versicherungspflichtiger Beschäftigung auf den Höchstwert der Anlage 2b zum SGB VI und dem Verweis auf die Ausführungen des Sozialgerichts Neubrandenburg im Beschluss vom 12.01.2012 - S 4 RA 152/03 - begründete, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.1.2015 zurück, soweit ihm nicht durch die Bescheide vom 12.9.2014 und 6.10.2014 abgeholfen wurde (hier nicht streitgegenständliche Berücksichtigung von weiteren Arbeitsausfalltagen und einer Zweitbeschäftigung). Nach der Rechtsprechung sei eine Begrenzung der errechneten Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten unter Berücksichtigung der Entgeltpunkte für sonstige Beitragszeiten auf die Werte der Anlage 2b zum SGB VI verfassungsgemäß. Die Beklagte verwies hierzu u. a. auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.08.2007 - 1 BvR 858/03 - und das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12.12.2006 - B 13 RJ 22/05 R -.
Hiergegen hat sich die am 28.1.2015 zum Sozialgericht Dresden erhobene Klage gerichtet, mit der die Klägerin weiterhin begehrt hat, für Zeiten des Zusammentreffens von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Pflichtbeiträgen wegen Kindererziehung bei Anwendung von § 70 Abs. 2 SGB VI keine Begrenzung der Entgeltpunkte auf die Höchstwerte nach Anlage 2b zum SGB VI vorzunehmen. § 70 Abs. 2 SGB VI i. V. m. der Anlage 2b zum SGB VI sei mit den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Urteil vom 3.4.2001 (1 BvR 1629/94) entwickelten Grundsätzen zur Berücksichtigung von Kindererziehungsleistungen in der Sozialversicherung nicht vereinbar. Das BVerfG habe entschieden, dass es mit Artikel 3 Abs. 1. i. V. m. Artikel 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren s...