Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeld. Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit (AU) durch einen Entlassungsbericht über eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme. Verweisungstätigkeit (hier: Containerwart; Helfer Ver-/Entsorgung)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die von § 46 S 1 Nr 2 SGB V geforderte ärztliche Feststellung der AU kann auch in einem ärztlichen (Reha-)Entlassungsbericht getroffen werden, sofern diesem eine persönliche Abschlussuntersuchung des Versicherten durch einen Arzt vorausgegangen ist.

2. Endet das Arbeitsverhältnis nach Eintritt der AU, ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der AU nur insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am (früheren) Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen ist.

3. Auch bei ungelernten Tätigkeiten ist eine generelle Verweisung auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht genügend. Vielmehr ist ebenso eine enge Anlehnung an die bisherige Erwerbstätigkeit vorzunehmen und die Ähnlichkeit anderer Tätigkeiten konkret festzustellen. Als Maßstab ist heranzuziehen, welche Bedingungen das bisherige Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis im Wesentlichen geprägt haben und welche ähnlichen, d. h. dem bisherigen Arbeitsverhältnis gleichgearteten Tätigkeiten in Betracht kommen.

4. Arbeiten, die mit der Art der bisherigen ungelernten Tätigkeit im Wesentlichen übereinstimmen, sind daher nur solche, die nicht nur hinsichtlich der erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten und ihrer Entlohnung der zuletzt ausgeübten Tätigkeit entsprechen, sondern ein entsprechendes Maß an körperlichen oder nervlichen Belastungen fordern.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 20.12.2018 und der Bescheid vom 18.01.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2017 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 13.01.2017 bis zum 02.07.2017 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Krankengeld (Krg) für den Zeitraum vom 13.01.2017 bis zum 02.07.2017.

Der 1957 geborene Kläger war bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Beschäftigten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) pflichtversichert. Er war zuletzt als Containerwart bei der Stadtreinigung A... beschäftigt und wurde zum 30.06.2016 gekündigt. Seit dem 04.01.2016 war der Kläger arbeitsunfähig. Der Arzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. Y... stellte seit dem 04.01.2016 die Arbeitsunfähigkeit (AU) des Klägers unter den Diagnosen M24.9 (Gelenkschädigung, nicht näher bezeichnet), M06.0 (Seronegative chronische Polyarthritis), M06.9 bzw. M06.95 (Chronische Polyarthritis, nicht näher bezeichnet), D72.8 (Sonstige näher bezeichnete Krankheiten der Leukozyten), L40.9 (Psoriasis, nicht näher bezeichnet), Z84.0 (Krankheiten der Haut und der Unterhaut in der Familienanamnese) bis 31.10.2016 ununterbrochen fest und die Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. med. X... unter der Diagnose M06.0 vom 26.10.2016 ununterbrochen bis 14.12.2016.

Mit Schreiben vom 04.02.2016 und anliegendem Merkblatt informierte die Beklagte den Kläger über die Notwendigkeit der lückenlosen Feststellung und Meldung der AU, um den Krg-Anspruch zu erhalten.

Mit Schreiben vom 11.02.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er erhalte ab 15.02.2016 tägliches Krg in Höhe von 50 € brutto und 43,98 € netto. Mit Schreiben vom 19.02.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, aufgrund der geänderten Verdienstbescheinigung ergebe sich ein tägliches Krg in Höhe von 49,69 € brutto und 43,71 € netto.

Vom 15.12.2016 bis 12.01.2017 befand sich der Kläger zur stationären medizinischen Rehabilitation in der C... GmbH & Co. KG (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 28.11.2016). Die von der Stationsärztin W... unterschriebene Mitteilung über die Entlassung des Klägers am 12.01.2017 als arbeitsunfähig ging der Beklagten am 17.01.2017 zu.

Die Fachärztin für Innere Medizin/Rheumatologie Dr. med. X... stellte dem Kläger am 16.01.2017 eine Folge-AU-Bescheinigung unter der Diagnose M06.0 (Seronegative chronische Polyarthritis) bis zum 13.02.2017 aus. Weitere AU-Bescheinigungen unter der Diagnose M06.0 folgten:

- Folgebescheinigung vom 13.02.2017 bis 03.03.2017, eingereicht am 14.02.2017

- Folgebescheinigung vom 03.03.2017 bis 31.03.2017, eingereicht am 06.03.2017

- Folgebescheinigung vom 30.03.2017 bis 13.04.2017, eingereicht am 03.04.2017

- Folgebescheinigung vom 13.04.2017 bis 25.04.2017, eingereicht am 18.04.2017

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dipl.-Med...

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