Verfahrensgang

SG Dresden (Urteil vom 02.02.1995; Aktenzeichen S 11 Ka 90/93)

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.01.1998; Aktenzeichen B 6 KA 71/96 B)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 02. Februar 1995 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat der Beklagten die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen außergerichtlichen Kosten für beide Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Enthebung des Klägers von seinem Amt als stellvertretender Vorsitzender des Vorstands der Beklagten und, hiermit verbunden, über die Beendigung der Mitgliedschaft des Klägers im Landesausschuß der Ärzte und Krankenkassen und in der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Der Kläger war im Zeitraum von 1971 bis 1981 als Kreishygienearzt in Sebnitz tätig. Im Rahmen seiner Dienststellung hat er mit Mitarbeitern der Kreisdienststelle Sebnitz des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) in fachlicher Hinsicht, und zwar in Bezug auf die Durchführung von Hygienemaßnahmen und die Verbesserung des ärztlichen Dienstes im Landkreis Sebnitz, zusammengearbeitet. Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger für den Staatssicherheitsdienst (MfS) der ehemaligen DDR als „Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit” (IM) tätig gewesen ist. Nach Herstellung der Einheit Deutschlands stellte sich der Kläger nach seiner Zulassung zur (kassen- und) vertragsärztlichen Versorgung bei der Beklagten ehrenamtlich zur Verfügung. Im Verlauf des Jahres 1991 wählte ihn die Vertreterversammlung der Beklagten zum stellvertretenden Vorsitzenden des Vorstands. In der Vertreterversammlung vom 23. Januar 1993 wurde er für die bis Ende 1996 laufende Legislaturperiode in seinem Amt bestätigt.

Im Zusammenhang mit der Aufnahme des Ehrenamtes im Jahre 1991 gab der Kläger gegenüber der Beklagten unter dem 30. November 1991 durch eigene Unterschriftsleistung folgende Erklärung ab: „Ich erkläre, daß ich weder direkt oder wissentlich indirekt mit der Staatssicherheit zusammengearbeitet habe, noch habe ich Informationen über Personen an die Staatssicherheit weitergegeben”.

Nachdem die Sächsische Landesärztekammer dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten unter dem 29. Juli 1993 mitgeteilt hatte, daß der Kläger im Rahmen einer Überprüfung des gesamten Kammervorstands als „Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit” ermittelt worden sei, richtete die Beklagte an den „Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik” (sog. „Gauck-Behörde”) ein Auskunftsersuchen. In dem daraufhin von der Gauck-Behörde vorgelegten Einzelbericht vom 05. August 1993 ist angeführt, der Kläger sei für das MfS als IM mit dem Decknamen „Hans Müller” tätig gewesen. Nach „Handschlag und im gegenseitigen Vertrauen” habe er als IM nach dem 17. Januar 1979 mehrere Berichte mit dem Ziel der operativen Aufklärung des Gesundheitswesens und der Hygiene im Kreis Sebnitz sowie zur Beobachtung und Ermittlung der medizinischen Intelligenz und anderem medizinischen Personal, des weiteren zur evangelisch-lutherischen Kirche und zur CDU verfaßt. Im einzelnen habe er neun mündliche Personenberichte über fachliche, charakterliche und politische Einschätzung von Kollegen, drei Fachberichte über die Lage des Gesundheitswesens in Sebnitz und fünf weitere dienstliche Protokolle über Hygienekontrollen erstattet. Darüber hinaus seien 26 Treffberichte dokumentiert. Seine Kontaktpersonen seien die MfS-Mitarbeiter Hptm. Eberlein, Oltn. Schierz, Oltn. Vogt, Ultn. Güldemann und Fw. Raake gewesen. Am 23. November 1981 sei der Kläger als IM entpflichtet worden, weil er im Verlauf eines MfS-Treffens erklärt habe, das MfS nicht mehr unterstützen zu wollen. Darüber hinaus habe der Kläger im ganzen keinen besonderen Wert auf die Konspiration gelegt, eine schriftliche Berichterstattung abgelehnt und sei auch nicht im Wege der personenbezogenen Observation tätig gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht der Gauck-Behörde Bezug genommen.

Kläger und Beklagte haben hierauf den Bevollmächtigten des Klägers beauftragt, die bei der örtlichen Dienststelle der Gauck-Behörde über den IM-Vorgang „Hans Müller” geführten Unterlagen zu sichten und zu bewerten. Der von Rechtsanwalt Wolf abgegebene „Überprüfungsbericht vom 02. September 1993”, der auf eine am 30. August 1993 erfolgte Akteneinsicht zurückgeht, gelangt zu der zusammenfassenden Bewertung, es könne nicht bestätigt werden, daß der Kläger bewußt und willentlich zum Nachteil von ärztlichen Kollegen, medizinischem Personal oder sonstiger Personen mit dem MfS zusammengearbeitet habe; auch bestehe kein Verdacht, daß er gegenüber der Beklagten oder der Sächsischen Landesärztekammer falsche oder verfälschende Aussagen getroffen habe; er habe sich in Fragen der Hygiene, des Arbeitsschutzes und allgemein im Bereich des Gesundheitswesens zur fachlichen Zusammenarbeit...

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