Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosenversicherung. Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge. Beitragstragung. Beginn der Verjährungsfrist. Erhebung der Verjährungseinrede. Ermessensfehler

 

Leitsatz (amtlich)

1. Versicherungsbeiträge hat im Sinne von § 26 Abs 3 S 1 SGB IV getragen, wer mit der Beitragssumme in seinem Vermögen belastet worden ist.

2. Für den Beginn der Verjährungsfrist in § 27 Abs 2 S 1 SGB IV kommt es nicht darauf an, wann der Erstattungsanspruch entsteht. Damit beginnt die Frist für die Verjährung des Anspruchs auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge auch dann mit dem Ablauf des Kalenderjahrs der Beitragsentrichtung, wenn der Erstattungsanspruch bei einer rückwirkenden Aufhebung eines Beitrags- bzw Versicherungspflicht feststellenden Verwaltungsakts später oder erst nach Ablauf der Verjährungsfrist entsteht (Anschluss an BSG vom 31.3.2015 - B 12 AL 4/13 R = BSGE 118, 213 = SozR 4-2400 § 27 Nr 6).

 

Orientierungssatz

Ist die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln eines Versicherungsträgers oder der Einzugsstelle beruht und ist die fehlerhafte Beitragszahlung von einer dieser Träger nachweislich verursacht worden, ist es ermessensfehlerhaft, wenn der Versicherungsträger nicht von der Erhebung der Verjährungseinrede absieht (vgl BSG vom 13.6.1985 - 7 RAr 107/83 = BSGE 58, 154 = SozR 2100 § 27 Nr 4 = juris RdNr 20; BSG vom 12.12.2007 - B 12 AL 1/06 R - BSGE 99, 271 = SozR 4-2400 § 27 Nr 3 = juris RdNr 14; BSG vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R = BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5 = juris RdNr 22).

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 24. August 2011 wird aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 10. September 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. September 2009 wird abgeändert und die Beklagte verpflichtet, an den Kläger 2.427,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % seit dem 19. März 2009 zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung unter dem Gesichtspunkt der Verjährung.

Der 1957 geborene Kläger war seit 1996 ununterbrochen in der Firma seiner Ehefrau, die mit Beschluss des Sozialgerichts vom 6. April 2011 zum Verfahren beigeladen wurde, beschäftigt und über längere Zeit einziger Mitarbeiter des Unternehmens. Die Beigeladene selbst erledigte lediglich Büroarbeiten. Für seine Tätigkeit im Unternehmen wurden für den Kläger in der Folge, unter anderem in der Zeit vom 30. September 1996 bis zum 30. November 2001 als Angestellter des Unternehmens Sozialversicherungsbeiträge, unter anderem nach dem Recht der Arbeitsförderung, entrichtet. Die vom Kläger in dieser Zeit entrichteten Beiträge (Arbeitnehmeranteil) beliefen sich auf insgesamt 2.427,46 EUR.

Am 19. Oktober 2006 beantragte der Kläger bei der AOK Sachsen die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung seiner Beschäftigung und die Erstattung von zu Unrecht entrichteter Sozialversicherungsbeiträge. Mit Bescheid vom 26. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Juni 2007 stellte diese fest, dass die Tätigkeit des Klägers bis zum 31. Dezember 2006 sozialversicherungspflichtig gewesen sei und lehnte eine Beitragserstattung ab. Im hiergegen erhobenen Klageverfahren vor dem Sozialgericht C... (Az. S 11 KR 264/07) erkannte die AOK PLUS (als Rechtsnachfolgerin der AOK Sachsen) am 7. Januar 2009 den Klageanspruch an und stellte fest, dass der Kläger seit dem 30. September 1996 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis bei seiner Ehefrau stehe.

Mit Schreiben vom 3. März 2009 beantragte der Kläger bei der AOK PLUS unter Berufung auf das Anerkenntnis vom 7. Januar 2009 die Erstattung der vom ihm getragenen Beiträge für die Zeit vom 30. September 2009 bis zum 31. Dezember 2006 und bat wegen der Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung um Weiterleitung des Antrags an die Beklagte. Der Antrag ging bei der Beklagten am 19. März 2009 ein.

Mit Bescheid vom 26. Mai 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) in Höhe von insgesamt 10.081,24 EUR zu Unrecht entrichtet worden seien. Der Erstattungsbetrag belaufe sich einschließlich 4 % Zinsen ab Eingang des Antrags am 19. März 2009 (§ 27 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - [SGB IV]) auf insgesamt 2.142,12 EUR. Die Beiträge in Höhe von 7.939,12 EUR für die Zeit vom 30. September 1996 bis zum 30. November 2004 seien verjährt. Besondere Gründe, die Einrede der Verjährung nicht zu erheben, lägen nicht vor. Der Erstattungsbetrag resultiere aus dem Zeitraum ab dem 1. Dezember 2004.

Auf den Widerspruch des Klägers änderte die Beklagte den Bescheid vom 26. Mai 2009 mit Bescheid vom 10. September 2009 ab...

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