Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKV

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung eines Bandscheibenschadens als Berufskrankheit nach Nr. 2109 BKV - bandscheibenbedingte Erkrankung der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter - ist der Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität i. S. des Vollbeweises erforderlich.

2. Vorausgegangen sein muss eine langandauernde, die Halswirbelsäule außergewöhnlich intensiv mechanisch belastende Tätigkeit. Ein erhöhtes Risiko ist anzunehmen, wenn Lastgewichte von 50 kg und mehr regelmäßig auf der Schulter getragen werden. Langjährig bedeutet, dass 10 Berufsjahre als die im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind.

3. Die BK Nr. 2109 besitzt nur einen engen, auf die Tätigkeit von Fleischträgern und vergleichbare berufliche Belastungen beschränkten Anwendungsbereich. Maurer erfüllen regelmäßig nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK, weil ihre Tätigkeit nicht durch das Tragen großer Lasten auf der Schulter geprägt wird.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.04.2010; Aktenzeichen B 2 U 344/09 B)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 08.01.2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Listen-Nr. 2109 der Anlage zur BKV.

Der im Jahr 1950 geborene Kläger war von 1965 bis Juni 2002 als Maurer beschäftigt. Diese Tätigkeit wurde lediglich durch die Zeit bei der Armee von Mai 1969 bis Oktober 1970 unterbrochen.

Im Rahmen einer BK-Verdachtsanzeige wegen einer Lendenwirbelsäulenerkrankung wurde auch mitgeteilt, dass im HWS-Bereich eine Streckfehlstellung mit Kyphosierung im mittleren Drittel bestehe. Außerdem finde sich eine dorsale Randzacke bei C3/4.

Daraufhin wurde ein Verfahren zur Prüfung der Voraussetzungen der Berufskrankheit nach Listen-Nr. 2109 aufgenommen.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten ermittelte, dass der Kläger etwa 5 % der durchschnittlichen Arbeitszeit Lasten von über 50 kg auf der Schulter getragen habe.

Daraufhin wurde ein orthopädisches Gutachten bei Dr. F1     eingeholt; im Vordergrund standen bei dem Kläger die Kreuzschmerzen, er klagte aber auch über Nackenschmerzen und über von den Schultern ausstrahlende Beschwerden in beiden Ellenbogengelenken. Dr. F1     diagnostizierte eine Uncarthrose von C3 abwärts mit Kamelhalsbildung.  Es bestehe aber keine wesentliche Einengung der Foramina Intervertebralia. Die dorsalen Ausziehungen bedingten keine wesentliche Zwischenwirbelraumverschmälerung und es bestehe auch kein Anhalt für Nervenwurzelreizerscheinungen. Diese Ergebnisse bestätigte auch Dr. Z1     in seinem Gutachten vom 10.10.2003: Die Foramina Intervertebralia seien ausreichend weit und es bestehe auch keine Nervenwurzelreizerscheinung. Die Voraussetzungen zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Listen-Nr. 2109 lägen damit nicht vor.

Nachdem die Gewerbeärztin darauf hingewiesen hatte, dass es im Übrigen auch an der Exposition fehle, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 07.06.2006 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Listen-Nr. 2109 ab. Es seien weder die arbeitstechnischen noch die medizinischen Voraussetzungen erfüllt.

Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er 35 Jahre lang in der Rekonstruktion und Sanierung von Gebäuden beschäftigt gewesen sei. Das Baumaterial habe getragen werden müssen.

Die Beklagte nahm daraufhin erneute Ermittlungen zur Exposition auf; es wurden noch einmal im Einzelnen alle Tragetätigkeiten aufgelistet, an dem Ergebnis änderte sich aber dadurch nichts; auch die differenzierte Expositionsermittlung unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers kam zu dem Ergebnis, dass das reine Tragen von Lasten auf der Schulter pro Arbeitsschicht maximal 5 % ausgemacht habe.

Der Widerspruch wurde daraufhin mit Bescheid vom 25.01.2007 als unbegründet zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig mit Gerichtsbescheid vom 8. Januar 2009 abgewiesen. Eine Belastung wie bei Fleischträgern, habe beim Kläger nicht vorgelegen. Die ermittelte Tagesbelastungsdauer sei nicht ausreichend um eine hinreichende Exposition anzunehmen.

Mit der Berufung weist der Kläger darauf hin, dass es während seiner Tätigkeit als Maurer im Allgemeinen keine Baukräne gegeben habe. Alles Baumaterial habe - teilweise über defekte Treppen - in die zu sanierenden Gebäude von Hand verbracht werden müssen, ebenso sei der Bauschutt auch wieder herausgetragen worden. Es habe der Grundsatz geherrscht, dass es keinen Gang ohne Tragen gebe. Auch das Tragen von starren Lasten sei HWS-gefährdend.

Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig...

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