Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme für Hautfettschürzenresektion im Bauchbereich nach Magenverkleinerung. Folgeerkrankung. Heranziehung der vom BSG entwickelten Grundsätze zur Mamma-Augmentationsplastik
Leitsatz (amtlich)
Ist eine wegen einer Hauterkrankung erforderliche Hautfettschürzenresektion im Bauchbereich notwendige Folge einer von der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Magenverkleinerung, fällt auch die operative Beseitigung dieser Folgeerkrankung in das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung. Insofern können die von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten Grundsätze zur Mamma-Augmentationsplastik nach Entfernung eines Mamma-Karzinoms (vgl BSG vom 8.3.2016 - B 1 KR 35/15 R = SozR 4-2500 § 27 Nr 28 RdNr 18) entsprechend herangezogen werden.
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 19. August 2016 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kostenübernahme für eine Hautfettschürzenresektion im Bauchbereich.
Die am …1962 geborene Klägerin verfügte im Jahre 2013 über ein Körpergewicht von 150 kg, ihr BMI lag bei 54,5. Nachdem sie trotz Ernährungsumstellung, sportlicher Betätigung und Inanspruchnahme stationärer Behandlungen keine Gewichtsreduktion erzielen konnte, wurde bei ihr im Juli 2013 eine Magenverkleinerung (Sleeve-Magenresektion) durchgeführt, deren Kosten die Beklagte trug. In der Folgezeit konnte die Klägerin ihr Körpergewicht um 55 kg reduzieren.
Mit Schreiben vom 28. Januar 2015 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme für eine Hautfettschürzenresektion sowie für eine Oberschenkellipektomie (Eingang bei der Beklagten am 29. Januar 2015). Dabei gab sie unter anderem an, die enorme Gewichtsreduktion habe dazu geführt, dass die überschüssige Haut nunmehr herunterhänge. Trotz sportlicher Aktivitäten bildeten sich die Hautlappen nicht mehr zurück. In den Hautfalten komme es öfter zu Entzündungen. Als Anlage fügte die Klägerin ein ärztliches Attest der Chefärztin der Klinik für Chirurgie und plastische Chirurgie des H… Klinikums X...., Dr. Y...., vom 22. Januar 2015 bei. Danach bestehe auf Grund des klinischen Befundes und der damit verbundenen Beschwerden sowohl eine medizinische Indikation für die Fettschürzenresektion als auch für die Lipektomie.
Dr. W...., Fachärztin für Chirurgie/Sozialmedizin, führte in ihrer für den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) am 5. Februar 2015 angefertigten Stellungnahme aus, bei der Klägerin bestehe kein regelwidriger Zustand, der eine Körperfunktion wesentlich beeinträchtige. Auch ein regelwidriger Zustand, der eine entstellende Wirkung habe, liege nicht vor. Andere medizinische Gründe für die begehrte Leistungsgewährung bestünden nicht.
Mit Bescheid vom 10. Februar 2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme für eine Hautfettschürzenresektion sowie für eine Oberschenkellipektomie ab. Die begehrten Eingriffe seien medizinisch nicht indiziert, sondern sollten aus ästhetischen Gründen erfolgen. Weder sei die Klägerin in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt noch wirke die anatomische Abweichung entstellend. Es fehle somit an einer Krankheit. Ein subjektiv als regelwidrig empfundener Körperzustand rechtfertige nicht die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs am gesunden Körper.
Hiergegen legte die Klägerin am 19. Februar 2015 Widerspruch ein (Schreiben vom 17. Februar 2015). Es sei ihr insbesondere unverständlich, dass ihr Antrag ohne Begutachtung ihrer Person abgelehnt worden sei.
Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens legte die Klägerin ein Schreiben der sie behandelnden Fachärztin für Hautkrankheiten/Allergologie Dr. C.... vom 26. Februar 2015 vor. Darin führte diese aus, die Klägerin befinde sich in ihrer regelmäßigen hautfachärztlichen Behandlung. Durch die beschriebenen postoperativ entstandenen anatomischen Verhältnisse komme es rezidivierend zu Rötungen und Entzündungen der Haut im Bereich der Bauchfalte und der Oberschenkelinnenseiten. Auch bestehe der Verdacht auf eine atopische Disposition, die zusätzlich Hautirritationen begünstige. Ohne die zwingend nach Reduktion des Gewichts erforderlichen Folgeoperationen sei eine dauerhafte Abheilung des Hautbefundes nicht zu erreichen.
Daraufhin ließ die Beklagte ein Gutachten des SMD nach körperlicher Untersuchung der Klägerin am 31. März 2015 erstellen. Dr. W.... teilte in ihrem Gutachten vom 1. April 2015 mit, erst auf wiederholte Nachfrage hinsichtlich gesundheitlicher Probleme im Zusammenhang mit der Fettschürzenbildung habe die Klägerin "Entzündungen im Sommer bei vermehrtem Schwitzen" angegeben. Sie behandle die Hauterscheinungen durch rezeptfreie Mykotin-Creme, so dass diese innerhalb von vier Tagen abklängen. Einmal im Jahr stelle sie sich ihrer Hautärztin vor. Dr. W.... führte...