Entscheidungsstichwort (Thema)
Rücknahme der Ernennung zum Beamten auf Probe
Leitsatz (amtlich)
§ 15 Abs. 1 Nr. 3 SächsBG i.d.F. vom 17. Dezember 1992 (SachsGVBl. S 615) ist mit dem Bundesrecht des Einigungsvertrages, Anlage I, Kap XIX, Sachgeb A, Abschnitt III Nr. 2 Buchst. b) u. c) nicht vereinbar.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1; SächsBG § 15 Abs. 1 Nr. 3 a.F., Nr. 4 n.F.
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
Das Berufungsverfahren wird ausgesetzt.
Die Sache wird dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Frage vorgelegt, ob § 15 Abs. 1 Nr. 3 des Beamtengesetzes für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Beamtengesetz – SächsBG) in der Fassung vom 17. Dezember 1992 (SächsGVBl. S. 615) mit dem Bundesrecht des Einigungsvertrages, Anlage I, Kapitel XIX, Sachgebiet A, Abschnitt III Nr. 2 Buchst. b) und c) unvereinbar ist.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme seiner Ernennung zum Beamten auf Probe.
Der Kläger wurde am 17.4.1950 geboren. Von Ende 1968 bis 1971 leistete er seinen Wehrdienst bei einer Fallschirmspringer-Einheit ab. Danach studierte er im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) bis 1974 an der Ingenieurschule für Chemie in … Im Anschluss arbeitete er im MfS als Spezialist für Sprengstoff (Gebiet der sprengstoffverdächtigen Gegenstände – SVG). 1980 bis 1983 wurde er zum Studium an die Parteihochschule „Karl-Marx” beim ZK der SED delegiert und erreichte einen Grad als Diplomgesellschaftswissenschaftler. In derselben Zeit war er Mitglied einer Kampfgruppe, im Rang eines stellvertretenden Bataillonskommandeurs. Im Anschluss daran wurde er in die SED-Kreisleitung des MfS versetzt und war dort als Instrukteur tätig. 1987 wurde er wieder in die operativ-technische Abteilung des MfS als Stellvertreter des Abteilungsleiters versetzt. Dort war er verantwortlich für die „Linie SVG” und alle im Zusammenhang mit Sprengstoff und Pyrotechnika begangenen Straftaten und Vorkommnisse. Der Kläger wurde beim MfS zuletzt im Rang eines Majors beschäftigt.
Im Zusammenhang mit seiner Übernahme in das Ministerium für Innere Angelegenheiten der DDR fertigte der Kläger am 23.1.1990 einen handschriftlichen Lebenslauf an. In diesem gab er an, dass er von 1968 bis 1971 seinen Ehrendienst im Fallschirmjägerbataillon in … absolviert habe. Nach der dreijährigen Dienstzeit sei er vom MfS angesprochen worden und habe im Anschluß im Auftrag des MfS an der Ingenieurschule für Chemie … studiert. Nach einem zweijährigen Grundlagenstudium sei er in die Spezialisierungseinrichtung Sprengstoffe, Zündmittel, Pyrotechnik im Sprengstoffwerk Schönebeck gekommen und habe 1974 das Studium als Ingenieur für Technologie der organischen und anorganischen Chemie abgeschlossen. Ab 1974 habe er im damaligen MfS vorwiegend auf dem Gebiet der SVG in der Funktion eines Arbeitsgruppenleiters gearbeitet. Die Ausführungen enthalten weitere Angaben über den anschließenden Werdegang des Klägers. Gemäß Einstellungsprotokoll vom 1.2.1990 wurde der Kläger mit dem Dienstgrad Major der Volkspolizei „bedingt” im Ministerium für Innere Angelegenheiten eingestellt. Unter dem 20.2.1990 erklärte der Kläger, dass er während seiner Zugehörigkeit zum MfS und AfNS keine Tätigkeiten ausgeübt habe, die gegen Andersdenkende, gegen demokratisch wirkende Gruppierungen oder gegen die persönliche Würde des Menschen gerichtet gewesen seien. Mit Dienstvertrag vom 1.6.1990 wurde der Kläger erneut mit dem Dienstgrad eines Majors der Volkspolizei eingestellt. Am 21.9.1990 wurde er zum Zentralen Kriminalamt mit dem Dienstgrad „VP-Rat” versetzt. Zum 30.9.1991 wurde er zum Aufbaustab des Landeskriminalamtes in Sachsen mit dem Ziel der Versetzung abgeordnet. Sein bestehendes Arbeitsverhältnis mit dem gemeinsamen Bundeskriminalamt der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurde mit Wirkung zum 31.12.1991 gekündigt.
Zur Vorbereitung seiner Einstellung in den Dienst des Freistaates Sachsen gab der Kläger am 30.9.1991 eine persönliche Erklärung zu seiner politischen Vergangenheit ab. Auf dem entsprechenden Vordruck des Sächsischen Staatsministeriums des Innern vermerkte er, dass er von 1974 bis 1990 als hauptamtlicher Mitarbeiter für das MfS tätig gewesen sei. Auf die Frage
„Haben Sie gelegentlich oder unentgeltlich, über mittelbare Kontakte, im Wege einer Verpflichtung als Reisekader oder über Kontakte, zu denen Sie als Mitarbeiter örtlicher Staatsorgane, als Leiter oder aufgrund gesellschaftlicher Funktionen verpflichtet waren, für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit der DDR gearbeitet?”
antwortete er mit „nein”. Zusätzlich gab er an, dass er ehrenamtlich stellvertretender APO-Sekretär von 1976 bis 1980, ehrenamtlicher Funktionär für „Agit-Prop” von ca. 1979 bis 1980 und hauptamtlicher Mitarbeiter des Apparates der SED-Kreisleitung 1980 bis 1987 gewesen sei, wobei von letzterer Position aus die Versetzung wegen Nich...