Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitrag. Wasserversorgung. öffentliche Einrichtung. materielle Privatisierung. Aufgabenprivatisierung. funktionale Privatisierung. Erfüllungsprivatisierung. Verwaltungshilfe. Mandat. Delegation. Konzession. Betriebsführer. Betreiber. Betreibermodell. Betreiberentgelt. Widmung. Insolvenz. Haushaltsplan. Vollständigkeit. durchlaufende Gelder. Betriebskapital. Erschließungsvertrag. Rückbau. Umsatzsteuer. Beschwerde. Wasserversorgungsbeitrags. Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gemeinde darf keine Wasserversorgungsbeiträge erheben, wenn sie die Aufgabe der Wasserversorgung auf einen privaten Dritten übertragen hat (materielle Privatisierung). In diesem Fall stellt die Wasserversorgung keine öffentliche Einrichtung der Gemeinde mehr dar.
2. Eine Gemeinde darf Wasserversorgungsbeiträge erheben, wenn sie sich zur Erfüllung der Aufgabe der Wasserversorgung eines privaten Dritten bedient (funktionale Privatisierung) und sie die Verantwortung für die Aufgabenerfüllung behält. Das setzt die Möglichkeit jederzeitiger Einwirkung durch Erlass von Weisungen an den Dritten und dessen Kontrolle voraus. Nur dann stellt die Wasserversorgung eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde dar.
3. Auf die rechtliche Konstruktion der Indienstnahme des Dritten im Rahmen funktionaler Privatisierung (Verwaltungshilfe, Mandat oder Konzession) und seine Stellung im Übrigen (z. B. hinsichtlich der Wahl des Betreiber- oder Betriebsführungsmodells, der Eigentumsverhältnisse in Bezug auf die Versorgungsanlagen oder der tatsächlichen Einziehung der Beiträge) kommt es für die Existenz einer öffentlichen Einrichtung der Gemeinde nicht an.
4. Stehen die Versorgungsanlagen im Eigentum des Dritten, liegt eine „öffentliche” Einrichtung der Gemeinde allerdings nur vor, wenn der Dritte der durch die Gemeinde erfolgten Widmung zustimmt.
5. Wird die öffentliche Einrichtung der Wasserversorgung durch Beiträge finanziert, muss die Gemeinde Vorkehrungen treffen, um ihren dauerhaften Betrieb bei Insolvenz oder sonstigem Ausfall des Dritten sicherzustellen. Insoweit genügt aber grundsätzlich die mit Zustimmung des Dritten erfolgte Widmung.
6. Bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands darf weder ein von der Gemeinde an den Dritten zu zahlendes Betreiberentgelt noch ein an ihn bei Beendigung des Betreibervertrags zu zahlender Kaufpreis berücksichtigt werden.
7. Die beitragsfähigen Aufwendungen in Erschließungsvertragsgebieten sind in das angemessene Betriebskapital der öffentlichen Einrichtung einzubeziehen.
8. Die Verschaffung der Anschlussmöglichkeit an die öffentliche Einrichtung der Wasserversorgung stellt eine umsatzsteuerpflichtige Leistung dar.
Normenkette
SächsKAG § 2 Abs. 2 S. 1, § 9 Abs. 2 S. 1, § 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 2, § 25 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 1 S. 1; SächsGemO §§ 2, 10 Abs. 2-3, 5, § 14 Abs. 1, § 75 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1-2; SächsWG § 57 Abs. 1, 3, § 63 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 4; KomHVO § 13 Nr. 1; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Dresden (Beschluss vom 24.02.2004; Aktenzeichen 4 K 3498/03) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. Februar 2004 – 4 K 3498/03 – geändert. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 852,94 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24.2.2004 ist zulässig und begründet. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15.5.2003 über die Festsetzung eines Wasserversorgungsbeitrags in Höhe von 3.411,79 EUR ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid erscheint bei summarischer Prüfung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach als rechtmäßig. Er beruht auf den Bestimmungen der §§ 23 ff. der Satzung der Antragsgegnerin über die öffentliche Wasserversorgung – WVS – vom 15.4.2003, die ihrerseits mit höherrangigem Recht vereinbar und daher gültig sind. Sie finden ihre Grundlage in § 2 Satz 1 und §§ 17 ff. SächsKAG.
A.
Der Tatbestand des § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsKAG, nach dem die Gemeinden zur angemessenen Ausstattung öffentlicher Einrichtungen mit Betriebskapital Beiträge für Grundstücke erheben können, denen durch die Möglichkeit des Anschlusses an die Einrichtung nicht nur vorübergehende Vorteile zuwachsen, ist erfüllt.
I.
Die Wasserversorgung stellt entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts eine öffentliche Einrichtung der Antragsgegnerin dar. Diese Qualifizierung scheitert nicht daran, dass wesentliche Funktionen der Wasserversorgung von der Versorgungsbetriebe Hoyerswerda GmbH – VBH – wahrgenommen werden und dieser das Eigentum an den der Wasserversorgung dienenden Anlagen und Grundstücken zusteht.
1. Die Berechtigung der Gemeinden zur Beitragserhebung kann sich nur auf die – zumindest auch (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 23.9.1980, DVBl. 1981, 220...