Entscheidungsstichwort (Thema)
Außenbereich. Privilegierung. Windkraftanlage. Landschaftsbild. Vorbelastung. Baugenehmigung für Windkraftanlagen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Errichtung einer Windkraftanlage stehen öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB dann nicht entgegen, wenn der Flächennutzungsplan für den Standort die Darstellung „Fläche für die Landwirtschaft” enthält.
2. Nach der vom Gesetzgeber getroffenen Wertung in § 35 Abs. 1 BauGB sind privilegierte Vorhaben im Außenbereich bevorzugt zulässig. Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes oder eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinne des Absatzes 3 Satz 1 Nr. 5 durch ein privilegiertes Vorhaben ist daher nur im Ausnahmefall anzunehmen, wenn es sich um eine wegen ihrer Schönheit und Funktion besonders schutzwürdige Umgebung oder um einen besonders groben Eingriff in das Landschaftsbild handelt.
3. Im Rahmen von § 35 Abs. 3 Satz 2 und 3 BauGB sind nur bereits in Kraft getretene Regionalpläne zu berücksichtigen.
Normenkette
BauGB § 35
Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 05.06.1997; Aktenzeichen 4 K 3603/96) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. Juni 1997 – 4 K 3603/96 – geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung seines ablehnenden Bescheides vom 21. Mai 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums Dresden vom 24. Oktober 1996 verpflichtet, der Klägerin entsprechend ihrem Antrag vom 25. September 1995 – ergänzt durch die Schriftsätze vom 11. April 2000 (OVG AS 209), vom 20. April 2000 (OVG AS 233) und die in der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2000 erfolgte Konkretisierung – einen positiven planungsrechtlichen Bauvorbescheid zu der Frage zu erteilen, ob dem Vorhaben öffentliche Belange i.S.v. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 5 oder § 35 Abs. 3 Satz 2 Baugesetzbuch entgegenstehen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtliche Kosten der Beigeladenen zu 1) und 2) trägt der Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin beantragte am 18.1.1996 beim Beklagten die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung von „2 bis 3” Windkraftanlagen auf einem Grundstück in … (Gemarkung … Flurstücke … und …). Die Anlagen sollten eine Gesamtnennleistung von 1,8 bis 2,0 MVV haben. Weiter war eine Nennleistung je Anlage von 600 bis 1.000 kw, eine Nabenhöhe von 50 bis 65 m sowie ein Rotordurchmesser von 44 bis 60 m angegeben. Neben den eigentlichen Windkrafträdern sollten zwei Trafostationen sowie eine Stromübergabestation errichtet werden. Nähere Angaben zur Fragestellung des Vorbescheides machte die Klägerin nicht. In der zugehörigen verbalen Beschreibung der Anlagen war von der „grundsätzlichen Genehmigungfähigkeit des Vorhabens” die Rede.
Mit Schreiben vom 21.2.1996 verweigerte die Beigeladene zu 1) ihr Einvernehmen. Durch Bescheid vom 21.5.1996 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde zum einen auf das Fehlen des gemeindlichen Einvernehmens verwiesen. Zum anderen hieß es, es handele sich bei den Windenergieanlagen um nicht privilegierte Vorhaben, die im vorliegenden Fall die natürliche Eigenart der Landschaft und ihre Aufgabe als Erholungsgebiet beeinträchtigten. Die Windenergieanlagen mit einer Gesamthöhe von ca. 95 m, die auf einem ca. 300 m hohen, markanten Höhenpunkt errichtet werden sollten, verunstalteten das Orts- und Landschaftsbild. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 11.6.1996 Widerspruch ein, den das Regierungspräsidium Dresden durch Widerspruchsbescheid vom 24.10.1996 – zugestellt am 28.10.1996 – als unbegründet zurückwies. Zur Begründung hieß es, dass durch das geplante Vorhaben die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt werde. Der vorgesehene Standort am … stelle aufgrund seiner Lage und der weiten Einsehbarkeit einen markanten Höhenpunkt dar. Die Errichtung von Windkraftanlagen mit einer Höhe von bis zu 95 m würde diese Umgebung nachhaltig prägen und damit zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes führen. Die bereits vorhandenen Stromleitungen stellten demgegenüber aufgrund ihrer Entfernung zum Vorhaben keine Vorbelastung für den Standort dar.
In dem Bescheid wurde darauf hingewiesen, dass eine andere rechtliche Beurteilung allenfalls dann geboten sein könne, wenn – wie seinerzeit bereits geplant – das BauGB dahin novelliert würde, dass Windkraftanlagen zu den privilegierten Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 BauGB gehörten.
Mit Schreiben vom 4.12.1996 bat das Regierungspräsidium Dresden den Beklagten, die Prüfung der Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuches vom 30.7.1996 (BGBl. I S. 1189) bis zum 16.12.1996 vorzunehmen. Zu einer solchen Prüfung kam es indes ausweislich der bisher vorgelegten Verwaltungsvorgänge nicht. Der Beklagte teilte dem Regierungspräsidium Dresden mit Schreiben vom 17.12.1996 mit, dass er sich nicht in der Lage sehe, den Termin 16.12.19...