Entscheidungsstichwort (Thema)
Windenergieanlage. Landschaftsbild. Eingriffsregelung. Bauvorbescheides
Leitsatz (amtlich)
1. Die Errichtung eines Windparks mit vier Windkraftanlagen ist ein nicht vermeidbarer und nicht ausgleichbarer Eingriff in Natur und Landschaft.
2. Bei der für deren Zulassung gemäß § 11 Abs. 3 NatSchG erforderlichen Abwägung zwischen den für das Vorhaben streitenden Belangen einerseits und den gegen dieses sprechenden, durch den fehlenden Ausgleich berührten Belangen des Natur- und Landschaftsschutzes handelt es sich um eine „echte” Abwägung der Behörde, die nicht in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt (im Anschluss an BVerwGE 85, 348, 362 und VGH Bad.-Württ., VBlBW 1996, 468 ff).
3. Das Ergebnis dieser Abwägung ist auch für die Anwendung des § 35 Abs. 1 und 3 BauGB verbindlich (im Anschluss an VGH Bad.-Württ., NuR 1999, 188, 190).
4. Es ist verwaltungsgerichtlich nicht zu beanstanden, wenn die zuständige Behörde sich bei einem Standort in landschaftlich besonders reizvoller Lage gegen die Zulassung eines Windparks entscheidet.
Normenkette
BauGB § 35 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1 Nr. 5; BNatSchG § 8 Abs. 3, 2 S. 2; NatSchG § 11 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3
Verfahrensgang
VG Stuttgart (Urteil vom 30.09.1999; Aktenzeichen 6 K 6170/98) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30. September 1999 – 6 K 6170/98 – geändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft für regenerative Energien, begehrt die Erteilung eines Bauvorbescheides zur Errichtung von vier Windkraftanlagen.
Am 11.10.1996 stellte die Klägerin eine Bauvoranfrage zur planungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung eines Windparks auf der Lützelalb im Gemeindegebiet der Beigeladenen. Zunächst beabsichtigte sie, fünf dreiblättrige Windkraftanlagen der Klasse 1,5 MW mit jeweils 60 m Nabenhöhe und 63 m Rotordurchmesser sowie Nebenanlagen wie Trafostationen, Erdkabel und Zuwegung auf dem landwirtschaftlich genutzten Grundstück Flst.Nr. 504 der Gemarkung Lauterstein-Weißenstein zu errichten. Nach einer Auskunft des Alb-Elektrizitätswerks Geislingen standen diesem Vorhaben jedoch netztechnische Gründe entgegen. Am 6.8.1997 legte die Klägerin dem Landratsamt Göppingen daher eine geänderte Bauvoranfrage vor. Nunmehr ist geplant, vier Windkraftanlagen der Leistungsklasse 600 kW (Vestas V-44) mit 63 m Nabenhöhe und 44 m Rotordurchmesser zu errichten. Angaben der Klägerin zufolge beträgt die Fundamentfläche insgesamt 700 m², die Länge der neu zu bauenden Schotterwege 300 m. Durch Verlegung und Rückbau ist bei der Zuwegung ein Einsparungspotenzial von 125 m gegeben. Die vier erforderlichen Trafostationen benötigen eine Grundfläche von je ca. 5 m². Da die Übergabestation in Weißenstein gebaut werden kann, ist sie am Standort der Anlage nicht erforderlich. Die Strom- und Fernmeldeleitungen zu den Anlagen werden unterirdisch verlegt. Das zuständige Elektrizitätswerk erklärte am 20.6.1997, dass eine Einspeisung der vier Windkraftanlagen in das 20 kV-Netz zugelassen werden könne.
Der Gemeinderat der Beigeladenen erteilte mit Beschluss vom 24.7.1997 sein gemeindliches Einvernehmen zu dem Vorhaben, allerdings unter den Bedingungen, dass diese Windkraftanlagen von keinem Haus der Tallage des Stadtteils Weißenstein aus sichtbar seien und die Lärmbelästigung durch die Rotorblätter selbst auf der Hofstelle Lützelalb nicht mehr als 37 dB(A) betrage.
Der Standort der geplanten Windkraftanlagen befindet sich im Außenbereich auf der Hochfläche der ca. 740 m über N.N. gelegenen Lützelalb. Die landwirtschaftlich genutzte Hochfläche, die weder unter Natur – noch Landschaftsschutz steht, ist von Wald umgeben. In ihrer südlichen Hälfte liegt eine von Sträuchern eingerahmte kleine Wasserfläche, die so genannte Hülbe, die als flächenhaftes Naturdenkmal ausgewiesen ist. Am Westrand der Hochfläche befindet sich ein Fernsehumsetzer. Die Hochfläche der Lützelalb bietet einen guten Fernblick. Dementsprechend ist sie auch von weither wahrnehmbar.
Die untere Naturschutzbehörde wandte sich mit Stellungnahmen vom 11.4.1997 und 15.10.1997 gegen die Bauvoranfrage. Die geplanten Standorte auf der mit Ausnahme eines ca. 40 m hohen Umsetzermastes durch Bebauung völlig unbelasteten Lützelalb seien stark exponiert. Die Anlagen würden daher aus Süden, Südwesten, Nordwesten und Südosten weithin sichtbar sein. Auch die Bezirksstelle für Naturschutz und Landschaftspflege Stuttgart sprach sich am 26.3.1998 gegen das Vorhaben aus. Der auf der Natürlichkeit, der Schönheit und der Vielfalt der freien Landschaft basierende Erholungswert der die Stadt Lauterstein umgebenden Landschaft werde durch die Windkraftanlagen stark beeinträchtigt. Zudem sei der nach Nr. 2.1 VwV-Windenergie vom 20.4.1995 erforderliche Mindestabstand von 200 m zur Lützelalb-Hülbe (Naturd...