Leitsatz
Eine schuldhafte Säumnis liegt auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigte, der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen.
Sachverhalt
Die Klägerin ließ sich in einem Urheberrechtsprozess durch die bei der Berliner Niederlassung einer überörtlichen Sozietät tätige Rechtsanwältin M vertreten. Im um 9.00 Uhr beginnenden Termin zur mündlichen Verhandlung erschien bei Aufruf der Sache niemand für die Klägerin. Ausweislich des Sitzungsprotokolls gab der Senat bekannt, dass er sowohl bei der Telefonzentrale als auch bei der Informationsstelle nachgefragt habe, ob ein Anruf von M eingegangen sei. Diese Anfragen seien verneint worden. Um 9.30 Uhr beantragte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten ein Versäumnisurteil, welches vom Gericht erlassen wurde. Die Revision der Klägerin wurde verworfen.
Entscheidung
Die Klägerin hat vorgetragen, der Verhandlungstermin habe von Rechtsanwalt V aus dem Kölner Büro ihrer Prozessbevollmächtigten wahrgenommen werden sollen. In der Nacht vor dem Termin sei V jedoch so schwer an Grippe erkrankt, dass er außerstande gewesen sei, am Morgen mit dem Pkw von Köln nach Hamm zu fahren. Er habe unter Fieber, Kopfschmerz und erheblicher Abgeschlagenheit mit Übelkeit gelitten. Um 7.06 Uhr am Terminstag habe V ohne Erfolg versucht, Rechtsanwalt K im Büro der Sozietät in Frankfurt/Main anzurufen. Ebenso sei um 8.56 Uhr sein Versuch fehlgeschlagen, die zuständige Geschäftsstelle des Gerichts fernmündlich zu erreichen. Die daraufhin um 8.59 Uhr angerufene Telefonzentrale habe keine Verbindung zur Geschäftsstelle und zum Senatsvorsitzenden herstellen können. Ein weiterer Versuch um 9.10 Uhr, K zu erreichen, sei erneut erfolglos geblieben. V habe dann das Sekretariat von Rechtsanwalt K fernmündlich gebeten, ihn bei Gericht durch Faxschreiben zu entschuldigen. Ein entsprechendes Schreiben sei um 9.37 Uhr versandt worden.
Nach Meinung des Senats genügen diese unstreitigen Anstrengungen des Prozessbevollmächtigten jedoch nicht. Dessen daher nicht entschuldigte Säumnis ist der Klägerin zuzurechnen. Eine schuldhafte Säumnis liegt auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigte, der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen.
V hatte zwar schon kurz nach 7 Uhr versucht, seinen Kollegen K zu unterrichten. Dem Gericht gegenüber blieb er aber bis um 8.56 Uhr untätig, d.h. bis vier Minuten vor dem angesetzten Termin. Bereits in diesem Zuwarten liegt nach Meinung des Gerichts ein schuldhaftes Versäumnis. Außerdem hatte V ausweislich der vorgelegten Verbindungsübersicht zunächst die falsche Geschäftsstelle zu erreichen versucht. Der drei Minuten später, um 8.59 Uhr, mit der richtigen Telefonnummer unternommene Versuch, über die Telefonzentrale mit der Geschäftsstelle oder dem Senatsvorsitzenden verbunden zu werden, dauerte nach der Übersicht nur 1 Minute 4 Sekunden. Weitere Versuche, das Gericht fernmündlich zu erreichen, unternahm V nicht. Erst um 9.12 Uhr beauftragte er das Büro seines Kollegen K, ihn durch Faxschreiben bei Gericht zu entschuldigen. Schon wegen des erforderlichen Zeitaufwands für die Umsetzung dieses Auftrags war diese Bemühung offensichtlich verspätet und nicht erfolgversprechend. Das Faxschreiben konnte auch erst um 9.37 Uhr versandt werden. Es enthielt überdies nicht einmal einen Hinweis auf die besondere Dringlichkeit der Vorlage. Überdies unterblieb auch ein Anruf bei dem Prozessbevollmächtigten der Gegenseite, der das Gericht ebenfalls hätte informieren müssen.
Praxishinweis
Der Senat hebt ausdrücklich hervor, dass das Berufungsgericht den Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs und das daraus resultierende Gebot, auf die Verfahrensbeteiligten Rücksicht zu nehmen, nicht verletzt hat. Es hat mit dem Erlass des Versäumnisurteils nicht nur eine halbe Stunde gewartet, sondern vorsorglich auch bei der Telefonzentrale und der Informationsstelle nachgefragt, ob Entschuldigungen vorliegen. Dies – so der BGH – reicht in diesem Zusammenhang aus.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 03.11.2005, I ZR 53/05BGH-Urteil vom 3.11.2005, 1 ZR 53/05