Rz. 19
Eigenbemühungen als eigenständiges Tatbestandsmerkmal der Arbeitslosigkeit gehören zwischenzeitlich zu den anerkannten, gesetzlich fixierten Eigenschaften der Arbeitslosigkeit, die den Interessen der Versichertengemeinschaft ebenso Rechnung trägt wie dem Umstand, dass der Gesetzgeber der Arbeitsverwaltung nicht mehr die alleinige Last und Verantwortung für die Integration des Arbeitslosen in eine versicherungspflichtige Beschäftigung auferlegen kann. Dies hatte den Arbeitslosen in der Vergangenheit dazu berechtigt, tatenlos auf Vermittlungsvorschläge des Arbeitsvermittlers der Agentur für Arbeit zu warten. Eigenbemühungen werden zwar vom Gesetzgeber als vorrangig gegenüber allein passiver Verfügbarkeit beschrieben, dies schlägt sich jedoch im Gesetzestext nicht nieder. Zu beachten ist, dass Eigenbemühungen ab einem bestimmten Umfang auch Zweifel an der Verfügbarkeit auslösen können. Es entspricht dem Grundsatz des Forderns und Förderns, dass Arbeitslose sich je nach Marktnähe in unterschiedlichem Umfang aktiv um eine Beschäftigung kümmern müssen und sich nicht auf die Anstrengungen der Agentur für Arbeit verlassen dürfen. Eigenbemühungen stellen eine versicherungsrechtliche Obliegenheit dar (BSG, Urteil v. 20.10.2005, B 7 AL 18/05 R). Das ist eine spezielle Verhaltenspflicht, die im Verhältnis zu den verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten ein rechtliches Aliud darstellt (BSG, Urteil v. 31.1.2006, B 11 AL 5/05 R). Eine Entziehung der Leistung nach § 66 SGB I kommt nicht in Betracht, sondern allein die Verneinung von Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung.
Rz. 19a
Will der Arbeitnehmer Alg nur für einen Tag in Anspruch nehmen, um den Anspruch zu sichern, ist Arbeitsbereitschaft eine Tatsachenfrage, die nicht allein nach Formularangaben beantwortet werden kann (Bay. LSG, Urteil v. 30.9.2015, L 10 AL 278/14). Ausgehend von Erklärungen im Formblatt sind die tatsächlichen Umstände zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen zu ermitteln. Der Formblatterklärung kommt indizielle Wirkung zu. In der Praxis kann dieser Fall nur irrtümlich auftreten, wenn ein Erlöschen des Anspruchs nach § 161 Abs. 2 vermieden werden soll, was wegen des davon unabhängigen Fristablaufs von 4 Jahren scheitern muss.
Rz. 20
Eigenbemühungen gehören zur subjektiven Seite der Arbeitslosigkeit. In Nahtlosigkeitsfällen (§ 145) würde ein Verlangen nach Eigenbemühungen unzulässig sein, nachdem jedenfalls durch den medizinischen Dienst der Agentur für Arbeit bereits festgestellt ist, dass der Arbeitslose eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgrund seiner Leistungsfähigkeit nicht (mehr) ausüben kann. Eigenbemühungen wären in diesem Stadium auch nicht mehr sinnvoll, wenn tatsächlich keine Aussicht auf Erfolg von Eingliederungsbemühungen besteht. Das AG Gera hat einen Insolvenzantrag eines arbeitslosen Antragstellers abgelehnt, weil dieser sich nicht hinreichend um eine angemessene Erwerbstätigkeit bemühe. Die Verfahrenskosten könnten deshalb nicht (länger) nach § 4c Nr. 4 InsO gestundet werden. Ein Schuldner habe sich wöchentlich 35 Stunden lang mit der ernsthaften und rückhaltlosen Suche nach einem Arbeitsplatz zu beschäftigen. 20 Bewerbungen in viereinhalb Monaten reichten nicht aus (AG Gera, Beschluss v. 9.3.2011, 8 IK 564/10).
Rz. 21
Für Eigenbemühungen steht dem Arbeitslosen ein weites Feld zur Verfügung. Insbesondere kann von ihm verlangt werden, in den Selbstinformationseinrichtungen der Agenturen für Arbeit, die er kostenfrei nutzen kann, die Jobbörsen nach ihm geeignet erscheinenden Stellenangeboten durchzusehen (www.arbeitsagentur.de). Daneben kommen Stellenanzeigen in den Medien, insbesondere in Tageszeitungen, aber auch den kostenfrei verteilten Werbewochenzeitschriften in Betracht. Stellentafeln vor Betrieben, Internetrecherchen und je nach Qualifikation des Arbeitslosen auch Fachzeitschriften können als weitere Möglichkeiten der Eigeninitiative angesehen werden. An deren Ende muss jedenfalls eine konkrete, nachweisbare Bewerbung stehen.
Rz. 22
Ein weiterer Bereich betrifft das Bewerberangebot des Arbeitslosen ohne konkretes Stellenangebot. Sein spezifisches Bewerberangebot kann der Arbeitslose ebenfalls selbstständig in Jobbörsen einstellen bzw. sein Einverständnis dazu erteilen. In Betracht kommen ferner Zeitungsannoncen.
Rz. 23
Konkrete Eigenbemühungen können auch in der (digitalen) Hinterlegung von Bewerbungen ohne konkretes Stellenangebot liegen, die auf Fluktuationsgelegenheiten zielen. Von Arbeitslosen wird aber regelmäßig nicht verlangt werden können, sich um einen kurzzeitigen sog. "Minijob" oder ein Ehrenamt zu bemühen. Dagegen dürfte es zu den Selbstverständlichkeiten der Eigenbemühungen gehören, an spezifischen Arbeitsmarktprogrammen teilzunehmen, die dazu geeignet erscheinen, den Versicherungsfall unmittelbar zu beenden oder aber jedenfalls einen konkreten Schritt in diese Richtung zu tun, also die Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern oder in sonstiger Weise (mehr) Marktnähe zu erreichen.
Rz. 24
Schließlich kann...