2.1 Vorleistungspflicht nach Abs. 1
Rz. 3
§ 22 Abs. 1 bestimmt grundsätzlich den Nachrang der Leistungen der aktiven Arbeitsförderung durch die Agenturen für Arbeit gegenüber anderen gesetzlich zur Leistung verpflichteten Leistungsträgern und anderen öffentlich-rechtlichen Stellen. § 23 Abs. 1 hebt den Nachrang jedoch für den Fall auf, dass die vorrangig verpflichtete öffentlich-rechtliche Stelle die Leistung nicht erbringt. Abs. 1 enthält also einen eigenständigen Anspruch auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung ohne Anwendung des § 22. Durch eine Fiktion ist der Nachrang nicht anzuwenden. Das Gesetz nennt keinen bestimmten Grund, aus dem die Leistung von der vorrangig verpflichteten Stelle nicht erbracht wird. Die Regelung ist als Spezialregelung zu § 43 SGB I anzusehen, weil Abs. 1 der Bundesagentur für Arbeit kein Ermessen einräumt. Allerdings wird die Agentur für Arbeit gleichwohl nur auf ggf. fingierten Antrag tätig. Sie ist dann allerdings zur Leistung verpflichtet, der Betroffene hat darauf einen Rechtsanspruch. Die Regelung sieht auch keine Wartezeit vor, die Agenturen für Arbeit sind zur sofortigen Leistung verpflichtet. Die Agentur für Arbeit ist insofern auch nicht berechtigt, zunächst unter Verweigerung der Leistungserbringung Sachverhaltsermittlungen darüber anzustellen, aus welchen Gründen die vorrangig verpflichtete Stelle die Leistungen nicht gewährt und dies selbst zu bewerten. Die Leistungsverpflichtung betrifft nur die Bundesagentur für Arbeit und ist auf die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung begrenzt.
Rz. 4
Die gesetzliche Leistungsverpflichtung setzt mangels entsprechender Vorschrift keinen Antrag voraus. Die Leistung ist also von Amts wegen zu erbringen. Das kann allerdings nur geschehen, wenn die zuständige Agentur für Arbeit Kenntnis davon erlangt, dass die vorrangige Leistungsverpflichtung nicht erfüllt wird. Im Übrigen genügt es, wenn der betroffene Berechtigte der Leistungsgewährung zustimmt.
Rz. 5
Abs. 1 greift ungeachtet der gesetzlichen Fiktion, dass die Verpflichtung des vorrangigen Trägers nicht besteht, nur, wenn ein Anspruch auf die Leistungen zur aktiven Arbeitsförderung gegeben ist. Diese sind in § 3 Abs. 2 definiert. Es handelt sich um die Leistungen nach dem Dritten Kapitel und das Arbeitslosengeld (Alg) bei beruflicher Weiterbildung, das allerdings erst im Vierten Kapitel bei den Vorschriften über das Alg als Versicherungsleistung geregelt wird In Bezug auf die Leistungen zur berufsfördernden Rehabilitation ist allerdings § 14 SGB IX zu beachten. Relevant sind daher die Tatbestände in § 22 Abs. 1. § 22 Abs. 4 spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, weil die Vorschrift Leistungen ausschließt, aber keinen Nachrang definiert. Das bedeutet insbesondere, dass es sich um eine nach dem SGB III mögliche, gleichartige Leistung handelt. Kann diese Leistung im Ermessenswege erbracht werden, setzt die nachrangige Erbringung der Leistung durch die Agentur für Arbeit voraus, dass sie diese bei pflichtgemäßer Ausübung des Ermessens zu erbringen hat. Insoweit muss ein bestehender Leistungsanspruch auch durchsetzbar sein. Die Arbeitsverwaltung muss allerdings nicht den Leistungsanspruch nach den für den Dritten geltenden Rechtsvorschriften prüfen. Vielmehr setzt sie die Leistung nach den Vorschriften des SGB III fest.
Rz. 6
Auf den Grund für die Weigerung der anderen öffentlich-rechtlichen Stelle, Leistungen zu erbringen, kommt es nicht an. Abs. 1 greift z. B. auch dann, wenn der vorrangig Verpflichtete lediglich mit der Antragsbearbeitung in Verzug geraten ist, insoweit bedarf es noch nicht einmal einer Ablehnung der Leistung durch einen Bescheid. Es genügt, wenn die Leistung faktisch nicht erbracht wird, selbst, wenn sie bewilligt ist. Allerdings muss eine Leistungsberechtigung grundsätzlich bestehen, etwa ein Antrag gestellt sein, wenn die Leistung ansonsten aus Rechtsgründen nicht gewährt werden kann. Das schließt nicht aus, dass die Agentur für Arbeit den Berechtigten auffordert, den erforderlichen Antrag bei der vorrangig verpflichteten Stelle einzureichen. Letztlich kommt es darauf an, dass eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht misslingt, weil keine Leistungen der aktiven Arbeitsförderung erbracht werden (bzw. der Eintritt von Arbeitslosigkeit nicht verhindert wird).
Rz. 7
Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind alle Leistungen der Arbeitsförderung bis auf das Alg, das Teil-Alg und das Insolvenzgeld (vgl. § 3 Abs. 2). Zu den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung gehört auch das Alg bei beruflicher Weiterbildung. Die Agentur für Arbeit hat jeweils, also in jedem Einzelfall festzustellen, ob eine vorrangig verpflichtete öffentlich-rechtliche Stelle die Leistung nicht oder nicht vollständig erbringt.
Rz. 8
Die Leistungsverpflichtung der Agentur für Arbeit beginnt, wenn die Leistung nicht zu Beginn des Leistungszeitraumes erbracht wird, also überfällig ist. Das kann je nach Fälligkeit bereits am Tage des Anspruchsbeginns der Fall sein, bei einmaligen Leistungen wird dies sogar der Regelfall sein....