0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Abs. 2 wurde zum 1.1.1998 durch das 1. SGB III-ÄndG v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2970) eingefügt.
Abs. 2 wurde zum 1.1.2004 durch das 3. Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) geändert.
1 Allgemeines
Rz. 2
Abs. 1 verpflichtet die Agentur für Arbeit als nachrangige Stelle zur Erbringung sämtlicher Leistungen der aktiven Arbeitsförderung auch über Leistungen zur Förderung der beruflichen Bildung, einer Beschäftigungsaufnahme und zur beruflichen Rehabilitation hinaus, soweit und solange die eigentlich verpflichtete Stelle die Leistungen nicht gewährt. Sie soll damit Verzögerungen auffangen, die sich im Ergebnis aus dem in § 22 angeordneten Nachrang der Leistungen der aktiven Arbeitsförderung ergeben können. Bei der vorrangig verpflichteten Stelle muss es sich nicht um einen Sozialleistungsträger i. S. v. § 12 SGB I handeln. Dazu stellt der Gesetzgeber die Fiktion auf, dass die Nachrangigkeit der Agentur für Arbeit dadurch entfällt, dass die vorrangige Verpflichtung der anderen öffentlich-rechtlichen Stelle beseitigt wird. Damit wird eine vorrangige Zuständigkeit der Agentur für Arbeit fingiert. Die Vorschrift soll insbesondere sicherstellen, dass Entgeltersatzleistungen aus der Arbeitslosenversicherung nicht deshalb (weiter) erbracht werden müssen, weil eine Vermittlung in eine versicherungspflichtige Beschäftigung an Streitigkeiten über eine Leistungsverpflichtung zur Eingliederung scheitert (negativer Kompetenzkonflikt). Zudem wird durch den Vorleistungsanspruch dem Vorrang einer Entlastung des Arbeitsmarktes durch aussichtsfreie Förderung Geltung verschafft.
Rz. 2a
Abs. 2 normiert die Rechtsfolgen, die sich aus Handlungen der Agentur für Arbeit nach Abs. 1 ergeben. Es werden Regelungen für den Fall getroffen, dass eine Agentur für Arbeit für eine andere öffentlich-rechtliche Stelle vorgeleistet hat. Der vorleistenden Stelle steht danach für die Vorleistungen ein Erstattungsanspruch auch dann zu, wenn die zur Erstattung verpflichtete Stelle nicht den Regelungen des SGB X und damit den Vorschriften über die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander unterliegt. Damit gewährleistet der Gesetzgeber, dass Leistungsbewilligungen nach Abs. 1 nicht zulasten der Beitragszahler zur Arbeitsförderung gehen und die Agenturen für Arbeit ihre Verpflichtung nach Abs. 1 zu umgehen suchen. Die Vorschrift dient damit der Rückabwicklung der Vorleistungsfälle. Der Erstattungsanspruch entsteht kraft Gesetzes. Er beugt möglichen Doppelleistungen an einen Berechtigten vor. Abs. 2 Satz 2 bestimmt, dass die Vorschriften des SGB X über Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander (§§ 102 ff. SGB X) entsprechend gelten.
2 Rechtspraxis
2.1 Vorleistungspflicht nach Abs. 1
Rz. 3
§ 22 Abs. 1 bestimmt grundsätzlich den Nachrang der Leistungen der aktiven Arbeitsförderung durch die Agenturen für Arbeit gegenüber anderen gesetzlich zur Leistung verpflichteten Leistungsträgern und anderen öffentlich-rechtlichen Stellen. § 23 Abs. 1 hebt den Nachrang jedoch für den Fall auf, dass die vorrangig verpflichtete öffentlich-rechtliche Stelle die Leistung nicht erbringt. Abs. 1 enthält also einen eigenständigen Anspruch auf Leistungen der aktiven Arbeitsförderung ohne Anwendung des § 22. Durch eine Fiktion ist der Nachrang nicht anzuwenden. Das Gesetz nennt keinen bestimmten Grund, aus dem die Leistung von der vorrangig verpflichteten Stelle nicht erbracht wird. Die Regelung ist als Spezialregelung zu § 43 SGB I anzusehen, weil Abs. 1 der Bundesagentur für Arbeit kein Ermessen einräumt. Allerdings wird die Agentur für Arbeit gleichwohl nur auf ggf. fingierten Antrag tätig. Sie ist dann allerdings zur Leistung verpflichtet, der Betroffene hat darauf einen Rechtsanspruch. Die Regelung sieht auch keine Wartezeit vor, die Agenturen für Arbeit sind zur sofortigen Leistung verpflichtet. Die Agentur für Arbeit ist insofern auch nicht berechtigt, zunächst unter Verweigerung der Leistungserbringung Sachverhaltsermittlungen darüber anzustellen, aus welchen Gründen die vorrangig verpflichtete Stelle die Leistungen nicht gewährt und dies selbst zu bewerten. Die Leistungsverpflichtung betrifft nur die Bundesagentur für Arbeit und ist auf die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung begrenzt.
Rz. 4
Die gesetzliche Leistungsverpflichtung setzt mangels entsprechender Vorschrift keinen Antrag voraus. Die Leistung ist also von Amts wegen zu erbringen. Das kann allerdings nur geschehen, wenn die zuständige Agentur für Arbeit Kenntnis davon erlangt, dass die vorrangige Leistungsverpflichtung nicht erfüllt wird. Im Übrigen genügt es, wenn der betroffene Berechtigte der Leistungsgewährung zustimmt.
Rz. 5
Abs. 1 greift ungeachtet der gesetzlichen Fiktion, dass die Verpflichtung des vorrangigen Trägers nicht besteht, nur, wenn ein Anspruch auf die Leistungen zur aktiven Arbeitsförderung gegeben ist. Diese sind in § 3 Abs. 2 definiert. Es handelt sich um die Leistungen nach Kapitel 3 und das Arbeitslosengeld (Alg) bei beruflicher Weiterbildung, das allerdings erst im 4. Kapitel ...