Rz. 7
Jeder Arbeitnehmer kann sein Bewerberangebot im gesamten Bundesgebiet platzieren. Die Agenturen für Arbeit führen Bewerberangebote im regionalen und überregionalen Ausgleich auch für ortsferne Arbeitnehmer. Im Übrigen sind die maschinell (digital) geführten Job-Börsen ohnehin bundesweit organisiert und ausgelegt. Abs. 2 zielt aber nicht darauf, sondern auf den Fall, dass der Arbeitslose tatsächlich seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unabhängig von einem persönlichen Wiedereingliederungserfolg in einen anderen Bezirk verlegen will. Es ist kaum denkbar, dass eine Agentur für Arbeit einen Antrag ablehnt, mit dem die Zuständigkeit einer anderen Agentur für Arbeit nach Abs. 2 begehrt wird. Zuständig für diese Entscheidung ist die Agentur für Arbeit nach Abs. 1, also die abgebende Agentur für Arbeit. Ein gesetzlicher Zuständigkeitswechsel findet hingegen nicht statt. Dieser ist nur denkbar, wenn ein gewöhnlicher Aufenthaltsort zugunsten eines Wohnsitzes aufgegeben wird; denn nach der eindeutigen gesetzlichen Formulierung ist der Zuständigkeit nach dem Wohnsitz nach Abs. 1 Satz 1 klar der Vorrang vor derjenigen nach dem gewöhnlichen Aufenthalt in Abs. 1 Satz 2 eingeräumt und auf die Zeit befristet, für die sich der Arbeitnehmer nicht an seinem Wohnsitz aufhält. Die Beschränkungen des Abs. 2 auf Fälle, in denen nach der Arbeitsmarktlage keine Bedenken bestehen und in denen eine Ablehnung für den Arbeitslosen eine unbillige Härte bedeuten würde, sind marktfern. Sie werden der Dynamik und der ständigen Fluktuation auf dem Beschäftigungsmarkt nicht gerecht.
Rz. 8
Grundgedanke der ersten Alternative ist, den Zugang eines Arbeitslosen in den Bezirk einer Agentur für Arbeit zu verhindern, in dem bereits ein deutliches Überangebot an Bewerbern mit dem Qualifikationsprofil des Begehrenden gegenüber den gemeldeten offenen Stellen besteht. Ein Ablehnungsgrund wäre aber nur gegeben, wenn alle offenen Stellen durch die Agenturen für Arbeit besetzt worden wären. Selbst dann wäre zu berücksichtigen, dass der Arbeitsverwaltung deutlich weniger als die Hälfte der offenen Stellen zur Besetzung gemeldet werden und der Arbeitslose im Wege der Eigeninitiative ausreichende Chancen zur Erlangung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung hätte. Eine andere Rechtsauffassung wäre nicht mehr mit den leistungsrechtlichen Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Verpflichtung zu Eigenbemühungen, zu vereinbaren. Die Arbeitsverwaltung hat die Agenturen für Arbeit nach verschiedenen Kriterien, insbesondere nach Umfang der Arbeitslosigkeit und Dynamik auf dem Arbeitsmarkt, eingeteilt. Bei der Klassifizierung dürften Bedenken gegen eine neue Zuständigkeit überhaupt nur in Betracht kommen, wenn der Arbeitslose in den Bezirk einer ungünstiger klassifizierten Agentur umziehen möchte. Die Entscheidung über die Begründetheit eines Antrages auf Zuständigkeitswechsel liegt nicht im Ermessen der Agentur für Arbeit. Bestehen keine Bedenken, hat sie dem Antrag zu entsprechen; andernfalls hat sie zu prüfen, ob eine unbillige Härte vorliegt. Andere Gesichtspunkte sind auch nicht maßgebend, wenn im Hinblick auf den bestehenden und zunehmenden Fachkräftemangel ein Begehren nach Abs. 2 zu prüfen ist. Insbesondere die technischen Möglichkeiten, die innerhalb der Bundesagentur für Arbeit überregionale Vermittlungsaktivitäten erlauben und die auch in einer bundesweiten Vernetzung aller Dienststellen, auch in Bezug auf IT-Unterstützung und digitale Kommunikation, bestehen, lassen keinen Raum für eine Verweigerung der begehrten Zuständigkeit.
Rz. 9
Vor diesem Hintergrund kommt der zweiten Alternative, die von einer unbilligen Härte für den Arbeitslosen ausgeht, keine Bedeutung mehr zu. Zu denken wäre hier allenfalls an den Fall offensichtlich völliger, nachhaltiger Chancenlosigkeit auf dem Arbeitsmarkt im Bereich der als zuständig gewünschten Agentur für Arbeit. Eine so ungünstige Arbeitsmarktlage ist seit einigen Jahren nicht mehr allgemein zu verzeichnen. Es müsste also auf den erreichbaren Arbeitsmarkt des arbeitslosen Arbeitnehmers abgestellt werden (z. B. Berufssubstitution durch Digitalisierung). Die unbillige Härte ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dem besonders zu beachten ist, dass nicht jeder Nachteil persönlicher oder wirtschaftlicher Art bereits eine Härte bedeutet und nicht jede Härte für den Betroffenen unbillig ist. Bei dieser gestuften Auslegung kommen nur schwerwiegende persönliche, insbesondere familiäre oder gesundheitliche Gründe in Betracht, die einen Umzug des Arbeitslosen gerade in die gewünschte Agentur für Arbeit rechtfertigen und einen verfassungsrechtlichen Hintergrund haben. Das trifft z. B. auf eine leichtere Verwirklichung des Berufswunsches, das Kümmern um ein minderjähriges oder behindertes Kind und die Pflege von Angehörigen zu. Es dürfte legitim sein, innerhalb dieser Gruppen zusätzlich nach dem Alter des Kindes oder dem Pflegegrad der gepflegten Person zu unterscheiden. Das Vorliegen einer unbilli...