Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Streitverkündungswirkung im Zivilprozess (über Mietminderungsberechtigung) auch im WE-Verfahren zu beachten
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 1 WEG, § 249 BGB, § 68 ZPO, § 74 ZPO
Kommentar
1. Ein Eigentümer hatte ein "Laden"-Teileigentum an einen Gastronomen zum Zwecke eines Bistrobetriebes vermietet. Der Mieter einer anderen Miteigentümerseite minderte dieser gegenüber die Miete wegen Geruchsbelästigungen und sonstiger vom Betrieb des Bistros ausgehender Beeinträchtigungen. In einem Vorprozess (Zivilprozess), in dem auch dem Laden-Eigentümer der Streit verkündet worden war, wurde die Mietzinsminderung dem vermietenden Miteigentümer gegenüber als berechtigt bestätigt. Im WEG-Folgeverfahren forderte der vermietende Miteigentümer vom Laden-Miteigentümer Schadenersatz in Höhe des Mietzinsausfalles und der ihm entstandenen Kosten des Vorprozesses. Das Schadenersatzantragsverfahren hatte in allen drei Instanzen Erfolg.
2. Der Anspruch begründet sich aus positiver Vertragsverletzung (pVV) der sich aus § 14 Nr. 1 WEG ergebenden Verpflichtungen (hier: zwischen den beiden Miteigentümern). Das Verhältnis der Pflichten der Wohnungseigentümer untereinander bleibt von der Interventionswirkung (Streitverkündungswirkung) unberührt. Aus einer zur Minderung von Mietzins berechtigenden Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit eines Mietobjektes folgt demnach nicht zwingend auch eine Verletzung der sich aus § 14 Nr. 1 WEG wechselseitig gegebenen Miteigentümerverpflichtungen. Denn wäre eine Geruchsbelästigung des Bistro-Mieters die ortsübliche Folge einer nach Teilungserklärung zulässigen Nutzung dieser Einheit, die durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht zu verhindern wäre, läge keine Verletzung des § 14 Nr. 1 WEG vor. Die Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit des Wohnungseigentums eines anderen Miteigentümers wäre dann als Folge der Nutzungsregelung der Teilungserklärung anzusehen, für die vermietende Eigentümer ihren Mietern gegenüber allein einzustehen hätten.
Die zum Schadenersatz verpflichtende Verletzung der sich aus § 14 Nr. 1 WEG ergebenden Pflicht liegt im vorliegenden Fall allerdings in der nach Teilungserklärung unzulässigen Vermietung dieser (Laden-)Einheit zum Betriebe eines Bistros. Die hier vereinbarungswidrige Nutzung hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 22. 12. 1994 festgestellt, was allen Beteiligten bekannt war. Eine den §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 1 WEG widersprechende Nutzung des Raumeigentums stellt, wenn sie schuldhaft erfolgt ist, eine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung dar (vgl. auch BayObLG, WE 89, 60/61; OLG Stuttgart, WM 93, 424; Weitnauer/Lüke, 8. Aufl., § 14 Rz. 10).
Vorliegend hat der Laden-Eigentümer die Vermietung seines Ladens zum Betriebe eines Bistros fahrlässig vorgenommen, da er die Unzulässigkeit bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Regelung in der Teilungserklärung hätte entnehmen können.
Der Geld-Schadenersatzanspruch ( § 249 Satz 1 BGB) umfasst auch Folgeschäden, sofern sie mit dem schadenstiftenden Ereignis in einem adäquaten Ursachenzusammenhang stehen und in den Schutzbereich der verletzten Norm fallen. Aufgrund selbst begangener Pflichtverletzung (unzulässige Vermietung des Ladens) ist die Ersatzpflicht hinsichtlich des Mietzinsausfalles begründet. Im Vorprozess wurde die Mietzinsminderung bestätigt, sodass im WE-Verfahren keine eigenen Ermittlungen mehr notwendig wurden.
3. Die Streitverkündungswirkung der § 68 ZPO, § 74 ZPO einer im Zivilprozess vorgenommenen Streitverkündung ist auch in einem WE-Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG zu beachten; dem steht der Amtsermittlungsgrundsatz des § 12 FGG nicht entgegen (vgl. BayObLGZ 1970, 65/69; OLG Hamm, NJW-RR 1993, 279; Bärmann/Pick/Merle, 6. Aufl., § 44 Rz. 10; Weitnauer/Hauger, Anhang § 43 Rz. 17). Die Erstreckung der Wirkung einer Streitverkündung ist durch die Gleichwertigkeit der Verfahren gerechtfertigt.
4. Die Schadenersatzverpflichtung umfasst neben der Mietzinsminderung auch die Kosten der Rechtsverfolgung gegen einen Dritten (hier: den eigenen Mieter), die der geschädigte Wohnungseigentümer zur Schadensermittlung vernünftigerweise aufgewandt hat, soweit sie nicht Teil eines von ihm alleine zu tragenden Wirtschaftsrisikos sind. Allgemein können Kosten einer Rechtsverfolgung bei einem Schadenersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung dann verlangt werden, wenn sie Aufwendungen des geschädigten Vertragspartners darstellen, die bei gegebener Sachlage zur Schadensabwendung vernünftig und zweckmäßig erscheinen (vgl. BGH, MW 86, 2243/2244). Vorliegend hat der Laden-Vermieter die Ursache für die vom Mieter des Miteigentümers vorgenommene Mietzinsminderung gesetzt (auch der Höhe nach dem Amtsgericht im Vorprozess bestätigt, so dass Prozesskosten auch nicht teilweise dem Vermieterrisiko zuzurechnen waren).
5. Auch außergerichtliche Kostenerstattung der unterlegenen Beteiligtenseite bei Geschäftswert III. Instanz von 1.781,29 DM.
Link zur Entscheidung
( OLG Hamm, Beschluss vom 05.0...