Leitsatz
Der Steuerberater haftet auch für einen durch fehlerhafte Beratung schuldhaft verursachten Verzögerungsschaden des Mandanten, sofern die Vermeidung eines entsprechenden Nachteils zum Inhalt der übernommenen Vertragspflichten gehörte.
Sachverhalt
Der beklagte Steuerberater sollte die Klägerin im Zusammenhang mit der Errichtung eines Gebäudekomplexes über die Anwendung von § 6b EStG beraten. Parallel dazu hatte ein weiterer Steuerberater, der ebenfalls für die Klägerin tätig war, beim Finanzamt eine verbindliche Auskunft zu einem von ihm konzipierten Steuermodell beantragt, mit dem die angestrebten Steuervorteile gesichert werden sollten. Auf Betreiben des Beklagten, der diesen Antrag für nicht erfolgversprechend hielt, wurde die Anfrage zunächst zurückgenommen, dann aber – mit einer Verzögerung von 77 Tagen – erneut eingereicht und anschließend von der Verwaltung positiv beschieden. Die Klägerin nimmt den Steuerberater auf Ersatz der durch die Verzögerung entstandenen Mietausfälle und Zusatzkosten in Anspruch. Der BGH gab ihr, anders als die Vorinstanz, in vollem Umfang Recht.
Entscheidung
Der Beklagte hatte die Voraussetzungen des § 6b EStG ganz offensichtlich verkannt und überdies die Grundsätze des BFH zum gewerblichen Grundstückshandel nicht beachtet. Die hieraus resultierende Falschberatung war grundsätzlich ursächlich für den späteren Schadenseintritt, weil die Klägerin die verbindliche Zusage bei korrekter Beratung deutlich früher beantragt hätte.
Die geltend gemachten Schadenspositionen – insbesondere die "Verzögerungsschäden" – fallen auch in den Schutzbereich der so verletzten Beratungspflicht. Der Steuerberater hat nur für solche Nachteile einzustehen, die im Schutzbereich der verletzten vertraglichen Pflichten liegen. Zu ersetzen sind Schadensfolgen, zu deren Abwendung die verletzte Vertragspflicht übernommen wurde. Ziel der Beratung war, unter Anwendung des § 6b EStG Steuern zu sparen. Ein Schaden in Form einer unnötig hohen Steuerlast ist der Klägerin durch die unrichtige Auskunft des Beklagten letztlich nicht entstanden. Nachdem die Antwort des Finanzamts vorlag, konnte sie ihr Vorhaben unter Anwendung dieser Bestimmung verwirklichen. Diese steuerlichen Zwecke waren aber nicht das einzige Ziel der Klägerin. Sie strebte auch – wie dem Beklagten bekannt – auf der Basis der Beratung einen möglichst frühzeitigen Baubeginn an, um das Vorhaben schnellstmöglich und gewinnbringend zu beenden. Zu den Beratungspflichten gehörte es damit auch, die Aufnahme der Bauarbeiten nicht durch eine fehlerhafte steuerliche Abklärung zu verzögern. Da die Vertragspflichten des Beklagten somit erkennbar den Schutz des Interesses der Klägerin an der Vermeidung aller Verzögerungen umfassten, hat er auch für die Schäden einzustehen, die aus der verspäteten Einholung der verbindlichen Auskunft resultieren.
Praxishinweis
Ein Mitverschulden der Mandantin sah der BGH nicht. Nach seiner ständigen Rechtsprechung kann der Steuerberater, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskünfte verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten regelmäßig nicht geltend machen, diesen treffe deshalb ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe. Die Verzögerung beruhte hier allein auf dem mangelhaften Vorgehen des beklagten Steuerberaters. Der Klägerin kann nicht vorgeworfen zu werden, der (unrichtigen) Auskunft des Beklagten vertraut zu haben.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 7.12.2006, IX ZR 37/04