Leitsatz (amtlich)

Die "Scheinsozietät" eines Wirtschaftsprüfers ist keine Sozietät im Sinne von § 38 Abs. 1 Nr. 1 lit. d und e, § 44b Abs. 4 Satz 1 WPO.

 

Zum Sachverhalt

Die Kammer für WP-Sachen des LG Berlin hat dem WP wegen eines Verstoßes gegen seine Berufspflichten eine Warnung erteilt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft und unter Verwerfung der Berufung des WP hat der Senat für WP-Sachen bei dem KG das Urteil dahin geändert, dass dem WP ein Verweis erteilt wird. Das KG hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der - von ihm bejahten - Frage zugelassen, ob die sozietätsbezogenen Berufspflichten des WP gem. § 38 Abs. 1 Nr. 1 lit. d und e, § 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 und § 44b Abs. 4 Satz 1 und 2 WPO auch beim Vorliegen einer "Scheinsozietät" bestehen. Die zulässige Revision des WP hat Erfolg.

 

Aus den Entscheidungsgründen

I.

Das KG hat folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer betreibt seit dem Jahre 1981 eine selbstständige Praxis als Rechtsanwalt und Steuerberater, seit dem Jahre 1990 auch als Wirtschaftsprüfer. Mindestens seit 1992 sind in der genannten Praxis auch der Rechtsanwalt X und die Steuerberaterin Y tätig, mit denen nach Angaben des Wirtschaftsprüfers jedoch kein ausdrücklicher, insbesondere kein schriftlicher Sozietätsvertrag geschlossen worden ist. Der Wirtschaftsprüfer verwendet im Geschäftsverkehr einen Briefbogen, in dem er selbst mit dem Zusatz "Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer", X mit dem Zusatz "Rechtsanwalt" und Y mit dem Zusatz "Steuerberater" im Briefkopf aufgeführt sind. Weitere Zusätze enthält der Briefkopf nicht. Für den Rechtsanwalt und die Steuerberaterin bestehen Berufshaftpflichtversicherungen, die bis Ende 1998 einen Vermögensschaden von 500 000 DM, seitdem von 2 Mio. DM abdecken. In Bezug auf die genannten Umstände stellte der Wirtschaftsprüfer weder einen Antrag auf Eintragung einer Sozietät in das Berufsregister, noch teilte er den für den Rechtsanwalt und die Steuerberaterin bestehenden Versicherungsschutz der Wirtschaftsprüferkammer mit. Die Nachweise über die Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts und der Steuerberaterin erbrachte der Wirtschaftsprüfer erst im Rahmen des gegen ihn anhängigen berufsgerichtlichen Verfahrens.

II.

In dem dem Wirtschaftsprüfer vorgeworfenen Verhalten liegt kein Verstoß gegen seine Berufspflichten, so dass der Wirtschaftsprüfer freizusprechen ist.

  1. Das KG nimmt an, der Wirtschaftsprüfer habe zum einen gegen eine Pflicht zur Antragstellung auf Eintragung beim Berufsregister für Wirtschaftsprüfer und Wirtschaftsprüfergesellschaften und zum anderen gegen eine Pflicht zum Nachweis bestimmten Versicherungsschutzes verstoßen. So habe der Wirtschaftsprüfer vorsätzlich zum einen die Berufspflicht, gem. § 38 Abs. 1 Nr. 1 lit. d und e, § 40 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 WPO Veränderungen in der Art der Berufstätigkeit sowie Namen, Vornamen, Berufe oder Firma und die Anschriften der beruflichen Niederlassungen der Sozietätspartner, Namen der Sozietät und alle Veränderungen unverzüglich zum Eintrag in das Berufsregister anzumelden, sowie zum anderen die Berufspflicht, gem. § 44b Abs. 4 Satz 1 und 2 WPO bei Bestehen einer Sozietät den Berufshaftpflichtversicherungsschutz für die Partner, der den Anforderungen entsprechen muss, die für Wirtschaftsprüfer gelten, unverzüglich gegenüber der Wirtschaftsprüferkammer nachzuweisen, verletzt. Alledem liegt die Rechtsansicht zugrunde, die genannten Vorschriften, die an das Bestehen einer Sozietät anknüpfen, seien auch dann anzuwenden, wenn eine "Scheinsozietät" vorliegt,
  1. Zu Recht geht das KG aufgrund der getroffenen Feststellungen und der Angaben des Wirtschaftsprüfers, Rechtsanwalt X und Steuerberaterin Y seien "seine Angestellten bzw. freie Mitarbeiter", davon aus, dass zwischen den drei Personen keine Sozietät, wohl aber eine Konstellation bestand, die den Anschein des Bestehens einer Sozietät erweckte.
  2. Der Begriff der Sozietät eines Wirtschaftsprüfers wird für eine inländische Sozietät in § 44b Abs. 1 WPO definiert[1]. Danach darf ein Wirtschaftsprüfer seinen Beruf mit einem Rechtsanwalt und einem Steuerberater in einer GbR (Sozietät) gemeinsam ausüben. Eine solche Sozietät lag angesichts einer Anstellung oder freien Mitarbeiterschaft des Rechtsanwaltes X und der Steuerberaterin Y nicht vor[2],
  3. Daneben besteht die Rechtsfigur der "Scheinsozietät". Diese ist vom BGH zunächst für Rechtsanwälte entwickelt worden. Danach gilt Folgendes: Wenn mehrere Rechtsanwälte, zwischen denen keine Sozietät, sondern etwa nur ein Anstellungsverhältnis besteht, nach außen hin durch gemeinsames Praxisschild, Briefbögen, Stempel usw. den Anschein einer Sozietät erwecken, so erzeugen sie gegenüber dem Rechtsverkehr den Anschein, dass der einzelne handelnde Rechtsanwalt sie sämtlich vertritt. An diesem von ihnen gesetzten Rechtsschein müssen sich deshalb alle Rechtsanwälte festhalten lassen. Dies ergibt sich aus den von der Rechtsprechung herausgebildeten Grundsätzen zur sogenannten Duldungsund Anschei...

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