Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Bei Einberufungsfehler (durch "Scheinverwalter") nur Anfechtbarkeit gegeben, keine Nichtigkeit
Antragsauslegung durch das Gericht
Feststellungsantrag
Normenkette
§ 24 Abs. 1 WEG, § 26 Abs. 1 WEG, § 43 Abs. 1 WEG, § 256 ZPO
Kommentar
1. Wird die Eigentümerversammlung von einer Person einberufen, die nicht wirksam zum Verwalter bestellt worden ist, aber die Aufgaben eines Verwalters tatsächlich wahrnimmt, so sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse nicht nichtig, aber auf rechtzeitige Anfechtung hin für ungültig zu erklären. Allein der Abschluss eines Verwaltervertrags kann einen Bestellungsbeschluss nicht ersetzen und für sich allein auch nicht die Rechtsstellung eines Verwalters begründen (h.R.M.: "Trennungstheorie").
2. Das Wohnungseigentumsgericht hat ungenau formulierte Anträge auszulegen, wobei an die Bestimmtheit von Anträgen geringere Anforderungen zu stellen sind als im Zivilprozess. Es besteht keine strenge Bindung an Anträge; das Gericht hat vielmehr den Willen des Antragstellers zu erforschen und in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine sachgerechte Entscheidung zu treffen; soweit erforderlich, ist der Wille des Antragstellers zu ermitteln und entsprechend § 139 ZPO auf die Stellung sachgerechter Anträge hinzuwirken.
In einem Verfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG wird über die Gründe, die einen Eigentümerbeschluss ungültig machen können, ebenso abschließend entschieden wie über Nichtigkeitsgründe; Anfechtungsgründe und Nichtigkeitsgründe bilden denselben Verfahrensgegenstand.
3. Bei einem Feststellungsantrag, der auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses in der Vergangenheit gerichtet ist, wird das für die Zulässigkeit des Antrags entsprechend § 256 ZPO erforderliche rechtliche Interesse nur ausnahmsweise gegeben sein; soweit es um die Rechtsstellung des Verwalters geht, ist dieses Interesse aber zu bejahen. Ob ein Verwalter auch in der Vergangenheit diese Funktion besaß, kann nämlich Auswirkungen auf Rechtshandlungen haben, die er in dieser Zeit vorgenommen hat. Dies gilt insbesondere für solche Rechtshandlungen, die er gem. § 27 Abs. 2 WEG im Namen der Wohnungseigentümer ausgeführt hat. Die Rechtswirkungen solcher Handlungen können unterschiedlich sein, je nachdem, ob er dabei mit oder ohne Vertretungsmacht gehandelt hat. Auch Vorgreiflichkeitsgesichtspunkte können für einen solchen Feststellungsantrag bzw. die Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags rechtliche Bedeutung besitzen, wobei die Zulässigkeit eines Zwischenfeststellungsantrags gem. § 256 Abs. 2 ZPO nicht von einem besonderen rechtlichen Interesse an der Feststellung abhängt.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 14.03.1991, BReg 2 Z 139/90)
zu Gruppe 4: Wohnungseigentumsverwaltung