Leitsatz
In der schlechteren Bewertung der ersten Berufsjahre bei der Berechung der Rente, wie sie durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) von 1996 angeordnet wurde, sieht das BVerfG keine Verletzung der Grundrechte der Versicherten.
Sachverhalt
Zu Beginn des Berufslebens erzielt ein Versicherter i. d. R. vergleichsweise niedrige Verdienste und zahlt entsprechend geringe Beiträge zur Rentenversicherung. Um diesen Nachteil bei der späteren Rente auszugleichen, sah das Rentenrecht seit 1992 vor, dass die ersten 4 Berufsjahre (bis zum 25. Lebensjahr) besser gestellt und mit mindestens 90 % des Durchschnittsverdiensts aller Versicherten bewertet werden. Diese Begünstigung hat der Gesetzgeber durch das Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) zum 1.1.1997 in der Weise eingeschränkt, dass nur noch die ersten 3 Berufsjahre berücksichtigt werden. Zudem wird diese Zeit nur noch mit 75 % des Durchschnittsverdiensts des Versicherten, maximal aber mit 75 % des Durchschnittsverdiensts aller Versicherten bewertet.
Diese Rechtsänderung belastet vor allem solche Personen, die nach der Berufsausbildung einige Jahre versicherungspflichtig beschäftigt sind, später aber z. B. wegen eines Wechsels in die Selbstständigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr angehören (= Versicherungslücke) oder nur noch Mindestbeiträge zahlen. Das BSG hat diese Rechtsänderung mit Vorlagebeschluss (v. 16.12.1999, B 4 RA 11/99 R) beim BVerfG zur Prüfung gestellt, weil es eine Verletzung des Eigentumsschutzes der Rente aus Art. 14 Abs. 1 GG gesehen hat.
Das BVerfG hat entschieden, die zur Prüfung gestellte Gesetzesänderung sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Eigentumsschutz der Rentenanwartschaften (Art. 14 Abs. 1 GG) schließe die Umgestaltung des Rentenrechts nicht aus. Dabei seien auch Eingriffe in die Anwartschaften von solchen Versicherten verfassungsrechtlich zulässig, die bei Inkrafttreten der Neuregelung schon 55 Jahre alt gewesen sind. Das Grundgesetz schütze rentenrechtliche Ansprüche nicht allein aufgrund eines bestimmten Lebensalters gegen gesetzliche Eingriffe.
Der gesetzliche Eingriff in Rentenanwartschaften sei durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Insbesondere könne die schlechte wirtschaftliche Situation der gesetzlichen Rentenversicherung eine Belastung der Versicherten rechtfertigen. Die Rechtsänderung sei auch verhältnismäßig, weil vor allem Personen mit Versicherungslücken betroffen seien. Diese könnten selbst entscheiden, ob und in welcher Höhe sie nach Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung freiwillige Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zahlen. Sie müssten wissen, dass niedrige Beiträge oder Versicherungslücken unabhängig von der Bewertung der ersten Berufsjahre zu einer niedrigen gesetzlichen Rente führen. In solchen Fällen sei Eigenvorsorge geboten und zumutbar. Der Gesetzgeber dürfe davon ausgehen, dass Versicherte mit solchen Versicherungslücken sich um eine ausreichende ergänzende Altersvorsorge kümmern.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Beschluss v. 27.2.2007, 1 BvL 10/00.