Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit einer Klage gegen einen "Nullbescheid" bei Relevanz für die nachfolgende Verlustfeststellung haben - Verfassungsmäßigkeit von § 10d EStG.
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Steuerpflichtige kann Rechtsschutz gegen eine aus seiner Sicht unzutreffende Ermittlung der bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte nur durch Anfechtung des Einkommensteuerbescheides und nicht durch Anfechtung des Verlustfeststellungsbescheides erreichen. kann. Eine Beschwer im sinne von § 350 AO bzw. § 40 Abs. 2 FGO ist daher auch dann gegeben ist, wenn zwar die Einkommensteuer auf null Euro festgesetzt wurde, der Steuerpflichtige aber den Ansatz der Besteuerungsgrundlagen rügt.
2. Die Beschränkung des Verlustabzugs unter Berücksichtigung des objektiven Nettoprinzips auf "negative Einkünfte" und die Berechnung des Verlustverbrauchs durch Verrechnung der nicht ausgeglichenen Verluste mit einem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ohne vorrangige Berücksichtigung privater Aufwendungen, wie zum Beispiel Sonderausgaben / außergewöhnliche Belastungen ist verfassungsmäßig nicht zu beanstanden.
Normenkette
EStG § 10d
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Einkommensteuerbescheide 2015, 2016 einerseits, sowie gegen die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 EStG für den 31. Dezember 2015 andererseits.
Die Kläger werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Auf den 31. Dezember 2014 war für den Ehemann ein verbleibender Verlustvortrag zur Einkommensteuer i.H.v. 14.569 EUR festgestellt worden. In den Streitjahren bezogen die Eheleute Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung; der Ehemann erzielte darüber hinaus (negative) Einkünfte aus selbständiger Arbeit. In ihrer Steuererklärung für 2015 beantragten die Kläger u.a. die Anerkennung von Unterhaltsleistungen i.H.v. 3.177 EUR für ihre gemeinsame Tochter, die im Streitjahr das 25. Lebensjahr vollendete und sich in der Berufsausbildung (Studium) befand.
Ausweislich der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 2015 erzielte der Ehemann - nach einer Saldierung der positiven und negativen Einkünfte - eine Summe von Einkünften (§ 2 Abs. 2, 3 EStG) i.H.v. 5.148 EUR, die Ehefrau i.H.v. 218 EUR, zusammen 5.366 EUR. Auch der Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE; § 2 Abs. 3 EStG) belief sich auf 5.366 EUR. Ausgehend von diesem positiven GdE wurde ein Verlustabzug in derselben Höhe (5.366 EUR) in Ansatz gebracht. Von der sich danach ergebenden Zwischensumme (0,- EUR) wurden beschränkt abziehbare Sonderausgaben i.H.v. 15.913 EUR, ein Sonderausgabenpauschbetrag i.H.v. 72 EUR, Ausbildungskosten i.H.v. 231 EUR sowie "übrige Aufwendungen nach § 33a Abs. 1 bis 3 EStG, § 33b EStG" i.H.v. 2.854 EUR (insgesamt 19.070 EUR) abgezogen.
Der angegriffene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 vom 17. Januar 2018 legte damit ein zu versteuerndes Einkommen (zvE) i.H.v. -19.070 EUR zugrunde und setzte eine Steuer von 0 EUR fest. Bzgl. der beantragten Unterhaltsleistungen für die Tochter i.H.v. 3.177 EUR wurde im Bescheid darauf hingewiesen, dass diese Leistungen aufgrund der sog. Opfergrenze nur i.H.v. 2.854 EUR als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden könnten. Aufgrund des im Rahmen der Veranlagung (s.o.) anteilig vorgenommenen Verbrauchs des Verlustvortrags (Abzug vom GdE i.H.v. 5.366 EUR) stellte der Beklagte im angegriffenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2015 vom 17. Januar 2018 einen Verlust in Höhe von (14.569 - 5.366=) 9.053 EUR fest.
Für das Streitjahr 2016 folgte das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid 2016 vom 22. Juni 2018 den Angaben der Kläger in der Steuererklärung. Danach ergab sich ein GdE i.H.v. 23.585. Von diesem Betrag wurde der verbliebene Verlust aus dem Vorjahr (9.053 EUR) in Abzug gebracht. Unter Berücksichtigung weiterer Abzugsposten (Sonderausgaben) ergab sich ein z.v.E. i.H.v. 1.533 EUR und eine Steuer von 0 EUR.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 wandten sich die Kläger mit Einspruch vom 20. Februar 2018. Sie wandten ein, dass die Ausbildungskosten der jüngsten Tochter keine Berücksichtigung fänden, was mit der sog. Opferbegrenzung begründet worden sei. Dies Ergebnis gehe jedoch massiv an der Lebenswirklichkeit vorbei und verstoße gegen das Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Es sei willkürlich, dass Kinder, die ohne Sitzenbleiben ihr Abitur und anschließend ein wissenschaftliches Hochschulstudium zügig absolvierten, kurz vor dem Examen aus dem Kindergeld fielen, obwohl sie wirtschaftlich noch zum Haushalt der Eltern gehörten. Dies treffe ausgerechnet die Schlussphase der Ausbildung und die Examenszeit. Vernünftige Eltern würden dem Kinde dennoch den Lebensunterhalt bestreiten, damit es die Ausbildung abschließen und sich ohne wirtschaftliche Sorgen auf die Prüfungen konzentrieren könne. Diesem Unterhalt werde nun teilweise die steuerliche Anerkennung verwe...