Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Maßstab für die Bemessung des Arbeitsaufwands des Rechtsanwalts. Berücksichtigung des Aufwands des konkreten Verfahrens. Verfahrensgebühr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
Maßstab für die Bemessung des Arbeitsaufwands des Rechtsanwalts im Rahmen des § 14 RVG ist nicht der eines durchschnittlichen Berufungsverfahrens, sondern der des jeweils anhängigen Verfahrens (hier Nichtzulassungsbeschwerde).
Normenkette
VV RVG Nr. 3511; RVG §§ 14, 33 Abs. 8, § 56 Abs. 2 S. 1
Tenor
Die Sache wird wegen grundsätzlicher Bedeutung dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung des Einzelrichters - Vorsitzender Richter am Landessozialgericht …).
Die Erinnerung des Erinnerungsführers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 23. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Das Verfahren ist gebührenfrei.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anwaltlichen Vergütung. Der Erinnerungsführer war der Klägerin in dem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde L 6 AS 198/15 NZB vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden (Beschluss vom 1. Februar 2016). Die Beschwerde hatte der Erinnerungsführer am 17. Juli 2015 beim LSG eingelegt und am 2. November 2015 auf zwei Seiten begründet. Ebenfalls mit Beschluss vom 1. Februar 2016 ist die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 30. April. 2015 in dem Verfahren S 36 AS 536/13 zugelassen worden. In diesem Verfahren geht es um die Vollstreckung von Forderungen des beklagten Jobcenter hinsichtlich des Monats April 2011.
Mit seiner Kostenrechnung vom 4./8. Februar 2016 hat der Erinnerungsführer für das Beschwerdeverfahren beantragt:
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Verfahrensgebühr Nr. 3511 VV-RVG |
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370,00 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV-RVG |
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20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
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74,10 EUR |
Endbetrag |
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464,10 EUR |
Mit Festsetzungsbeschluss vom 23. Februar 2016 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den beantragten Betrag reduziert, und zwar:
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Verfahrensgebühr Nr. 3511 VV-RVG |
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185,00 EUR |
Pauschale Nr. 7002 VV-RVG |
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20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
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38,95 EUR |
Gesamtbetrag |
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243,95 EUR |
Zur Begründung hat sie ausgeführt, mit einem zweiseitigen Schriftsatz ohne nachfolgendem Schriftwechsel zwischen den Beteiligten habe der dokumentierte Zeitaufwand deutlich unter dem gelegen, was in einem sozialgerichtlichen Verfahren anfalle. Gleiches gelte auch für die Dauer des Verfahrens von knapp sechs Monaten. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit entspreche dem Durchschnitt ebenso wie die Bedeutung der Angelegenheit, da es sich um einen Leistungsbetrag in Höhe von 79,06 EUR aus der Vergangenheit (2013) handele. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse lägen deutlich unter dem Durchschnitt. Zusammengefasst sei die Verfahrensgebühr daher in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr als angemessen festzusetzen.
Gegen den ihm am 26. Februar 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die Erinnerung des Erinnerungsführers, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 1. März 2016. Zur Begründung trägt er vor, maßgebend für die Vergütung sei die Nr. 3511 VV-RVG und nicht die Nr. 3204 VV-RVG. Auch bei der Nr. 3511 VV-RVG handele es sich um eine Rahmengebühr, auf die § 14 RVG Anwendung finde. In den Fällen, in denen eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3511 VV-RVG entstehe, sei dann Maßstab der Arbeitsaufwand, der durchschnittlich für eine Nichtzulassungsbeschwerde anfalle. Nur dieser Maßstab vermöge der gesetzlichen Anordnung zu entsprechen, dass die Betragsrahmen für die unterschiedlichen Verfahren unterschiedlich ausgestaltet seien. Der denkbare alternative Ansatz, hinsichtlich aller Verfahrensgebühren einen einheitlichen Maßstab anzulegen, der sich aus dem Durchschnitt des Arbeitsaufwandes aus sämtlichen sozialgerichtlichen Verfahren ergebe, nivelliere diese gesetzlich angeordnete Unterschiedlichkeit der Betragsrahmen und der Gebührenhöhen in unzulässiger Weise. Der Ablauf einer Nichtzulassungsbeschwerde sei dadurch geprägt, dass die den Rechtsstreit bildenden Sach- und Streitfragen bereits erstinstanzlich umfänglich aufbereitet worden seien. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde sei ausschließlich die Frage nach dem Vorliegen eines Berufungszulassungsgrundes. Das habe zur Folge, dass sich die anwaltliche Tätigkeit auf das Abfassen einer Beschwerdeschrift beschränke. Eine über den Austausch mehrerer Schriftsätze zwischen den Beteiligten erfolgende Diskussion finde im Regelfall nicht statt. Aus diesem Grund entspreche die hier zu beurteilende Tätigkeit durchschnittlichen Anforderungen. Der Kostenprüfungsbeamte irre in seiner Auffassung, dass ein Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde denselben Inhalt habe, wie ein Berufungsverfahren. Hier käme die Frage der Berufungszulassungsgründe ergänzend hinzu. Dies re...