Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunfts- und Heizkosten. Ermittlung des Wohnflächenbedarfs bei temporären Bedarfsgemeinschaften. Ausübung des Umgangsrechtes. Einzelfallprüfung. voreiliger Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Frage, ob bei einer temporären Wohngemeinschaft ein zusätzlicher Wohnbedarf anzunehmen ist, kommt es entscheidend auf die Umstände des Einzelfalles an. Ein höherer Wohnbedarf kann nur ausnahmsweise anerkannt werden, wenn sonst die Wohnverhältnisse evident zum Besuch des Kindes/der Kinder ungeeignet sind.
2. Ein Eilantrag ist voreilig gestellt, wenn der Behörde keine Zeit gelassen wird, die Sach- und Rechtslage zu prüfen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 3. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die von den Antragstellern beantragte und vom Sozialgericht Kiel mit Beschluss vom 3. Juni 2010 versagte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren S 35 AS 255/10 ER. In diesem begehrten sie die Nichtberücksichtigung von noch nicht gewährtem Kindergeld als Einkommen der Antragstellerin zu 4) und die Anerkennung eines höheren Unterkunftsbedarfs, weil der Sohn M… der Antragstellerin zu 1) laut einer Bescheinigung des Jugendamtes seine Mutter alle zwei Wochen am Wochenende besucht sowie teilweise auch in den Ferien.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war ebenfalls mit Beschluss vom 3. Juni 2010 abgelehnt worden. Insoweit ist Beschwerde nicht eingelegt worden.
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ist den Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn - neben hier nicht zweifelhaften Voraussetzungen - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (vgl. Philippi in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 114 Rn. 19 m.w.N.). Es ist zu berücksichtigen, dass das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern lediglich zugänglich machen will. Dem genügt § 114 Satz 1 ZPO dadurch, dass er die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht erst bei sicherer, sondern bereits bei hinreichender Erfolgsaussicht vorsieht. Deren Feststellung soll mithin nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses anstelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet andererseits zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 u. a., BVerfGE 81, 341; BSG, Urt. v. 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R -, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).
Es kann hier dahinstehen, ob eine isolierte Prozesskostenhilfebeschwerde nach rechtskräftiger Ablehnung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung überhaupt noch möglich ist. Jedenfalls haben die Antragsteller hier keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil es an einer hinreichenden Erfolgsaussicht in der Hauptsache gefehlt hat. Die am 4. Juni 2010 erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 3. Juni 2010 hat daher keinen Erfolg. Zutreffend hat nämlich das Sozialgericht Kiel in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt, dass hinsichtlich der Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen der Antragstellerin zu 4) kein Anordnungsgrund vorliegt und die Antragsteller keinen Anspruch auf einen höheren Unterkunftsbedarf haben.
Nach Überprüfung der Sach- und Rechtslage macht der Senat sich diese Einschätzung zu eigen und verweist daher gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe dieses Beschlusses.
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen ist zu ergänzen:
Hinsichtlich der Anrechnung des Kindergeldes hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass die Möglichkeit der Durchführung eines Eilverfahrens von vornherein auf die Fälle beschränkt sei, in denen in einem Rechtsverhältnis zwischen der Behörde und dem Bürger ein dringender Regelungsbedarf bestehe, eine endgültige Regelung aber in der gebotenen Kürze der Zeit nicht möglich oder nicht erfolgt sei. Daraus folge, dass sich der Hilfesuchende in einer existenzbedrohlichen Notlage befinden müsse, die ein kurzfristiges Eingreifen erforderlich mache. Außerdem müsse der Behörde eine je nach Einzelfall und Eilbedürfnis unterschiedlich lange Bearbeitungszeit zugestanden werden, innerhalb derer ein gerügter Feh...