Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankengeld. Fortbestehen der Mitgliedschaft. Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am nächsten Werktag nach Beendigung des Pflichtversicherungsverhältnisses. Frage der Nahtlosigkeit. einstweiliger Rechtsschutz. kein Anspruch auf eine umfassende rechtliche Prüfung. dieselbe Krankheit. Maßgeblichkeit der in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen genannten Diagnosen
Leitsatz (amtlich)
1. Für das Fortbestehen der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V auf Grund des Bezugs von Krankengeld reicht es zwar nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BSG aus, dass eine Arbeitsunfähigkeit (nahtlos) am Tag nach der Beendigung eines Pflichtversicherungsverhältnisses ärztlich festgestellt wird (vgl BSG vom 10.5.2012 - B 1 KR 19/11 R = BSGE 111, 9 = SozR 4-2500 § 192 Nr 5, RdNr 13). Ob diese Rechtsprechung aber dahingehend zu erweitern ist, dass eine wegen eines Feiertags oder wegen des Wochenendes erst am nächsten Werktag erfolgende ärztliche Feststellung ebenfalls noch ausreichend nahtlos ist, ist eine offene Rechtsfrage, deren Beantwortung nicht im Rahmen eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens - sondern im Hauptsacheverfahren - zu erörtern ist.
2. Ein Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine umfassende rechtliche Prüfung der Hauptsache im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl BVerfG vom 27.5.1998 - 2 BvR 378/98 = NVwZ-RR 1999, 217 = juris RdNr 16, 17 mwN).
3. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ist bei der Beurteilung, ob bei dem Versicherten dieselbe Krankheit im Sinne von § 46 Satz 3 SGB V besteht, auf die in den Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen genannten Diagnosen abzustellen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Februar 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die vorläufige Gewährung von Krankengeld.
Der 1960 geborene Antragsteller war bis zum 30. April 2022 aufgrund einer Beschäftigung pflichtversichertes Mitglied der Antragsgegnerin. Nach der Vereinbarung eines Aufhebungsvertrags mit einer Abfindungsverpflichtung des damaligen Arbeitgebers iHv 25.000 Euro endete das Beschäftigungsverhältnis zu dem vorangestellt genannten Datum.
Aufgrund der Abfindungszahlung stellte die zuständige Agentur für Arbeit (AfA) für den Monat Mai 2022 beim Antragsteller zunächst ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nach § 158 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) fest (Bescheid vom 7. Juni 2022). Da die behandelnden Ärzte beim Antragsteller aufgrund einer depressiven Episode (ICD 10 = F32.9) außerdem seit dem 2. Mai 2022 durchgehend eine Arbeitsunfähigkeit feststellten, erließ die AfA noch einen „Aufhebungsbescheid“ hinsichtlich (einer nicht erfolgten) Bewilligung von Arbeitslosengeld, weil der Antragsteller erkrankungsbedingt dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe (Bescheid vom 16. Juni 2022).
Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 27. Juni 2022 die vom Antragsteller ab dem 2. Mai 2022 beantragte Zahlung von Krankengeld ab, weil die Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers länger als einen Monat über das Ende seiner (Pflicht-)Mitgliedschaft hinaus angedauert habe. Außerdem habe für den Antragsteller am 2. Mai 2022 weder als Arbeitnehmer noch als Bezieher von Arbeitslosengeld Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung und damit auch kein Anspruch auf die Gewährung von Krankengeld bestanden
Den gegen diese Entscheidung vom Antragsteller eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin am 17. Januar 2023 zurück. Hiergegen hat der Antragsteller innerhalb der Klagefrist Klage vor dem Sozialgericht Schleswig erhoben (S 5 KR 21/23).
Am 11. Januar 2023 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Schleswig den Erlass einer einstweiligen Anordnung - gerichtet auf die vorläufige Zahlung von Krankengeld - beantragt. Zusammengefasst geht er davon aus, dass die aus dem zuletzt bestehenden Beschäftigungsverhältnis bei der Antragsgegnerin resultierende (Pflicht-)Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch nach § 192 Abs 1 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) weiterhin fortbestehe, wobei wegen der Regelung in § 46 Satz 3 SGB V unschädlich sei, dass die Feststellung seiner Arbeitsunfähigkeit erst am 2. Mai 2022 und damit nach der Beendigung des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt sei. Da er ohne Krankengeldzahlungen auf die Gewährung des wegen bestehender Verbindlichkeiten für ihn nicht auskömmlichen Arbeitslosengelds II angewiesen sei, bestehe auch ein Eilbedürfnis.
Das SG Schleswig hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 9. Februar 2023 sinngemäß abgelehnt („zurückgewiesen“). Einen (Anordnungs-)Anspruch auf die vorläufige Gewährung von Krankengeld habe der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Zwar sei er derzeit bei der Antragsgegnerin aufgrund des Bezugs von Bürgergeld na...