Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragszahnärztliche Versorgung. einstweiliger Rechtsschutz. Ermächtigung hinsichtlich Führung einer Zweigpraxis

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer Ermächtigung für eine Zweigpraxis an einen Vertragszahnarzt.

 

Orientierungssatz

1. Sinn und Zweck der Residenzpflicht des Vertrags(zahn-)arztes ist es, dass er für die ärztliche Versorgung an seinem Vertragsarztsitz zur Verfügung steht. Deshalb muss er seinen Vertragsarztsitz in sprechstundenfreien Zeiten in angemessener Zeit erreichen können. Die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragszahnarztsitzes ist dann nicht beeinträchtigt, wenn die Dauer des Vertragszahnarztes in einer Zweigpraxis ein Drittel seiner Tätigkeit am Vertragszahnarztsitz nicht übersteigt.

2. Beträgt die Entfernung zwischen Haupt- und Zweigpraxis mehrere hundert Kilometer und beschränkt der Zahnarzt seine Tätigkeit in der Zweigpraxis auf drei Tage pro Monat, so ist bei summarischer Prüfung im Verfahre des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klären, ob die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz beeinträchtigt wird. Dies hängt von tatsächlichen und rechtlichen Fragen ab, die erst in einem Hauptsacheverfahren abschließend geklärt werden können.

3. Auch die weitere Ermächtigung zum Führen einer Zweigpraxis, nämlich die Verbesserung der Versorgung am Ort der Zweigpraxis, lässt sich in der summarischen Prüfung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht entscheiden.

4. Ist die Ablehnung der Ermächtigung durch den Zulassungsausschuss wegen offener tatsächlicher wie rechtlicher Fragen nicht offensichtlich rechtswidrig, so sind besonders strenge Anforderungen an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu stellen. Weil unzumutbare wirtschaftliche Nachteile bei Ablehnung nicht ersichtlich sind, ist das Abwarten der Hauptsacheentscheidung zumutbar und die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu versagen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 18. März 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 3).

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Ermächtigung zur Ausübung seiner vertragszahnärztlichen Tätigkeit an einem weiteren Ort in Zweigpraxis.

Der Antragsteller ist Zahnarzt und Mund-Kiefer-Gesichts- (MKG)Chirurg und in Gemeinschaftspraxis mit seiner Ehefrau mit Niederlassung in S. im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen zu 1) zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Im August 2007 beantragte er bei der Beigeladenen zu 2) die Erteilung einer Ermächtigung zur vertragzahnsärztlichen Versorgung in Zweigpraxis als MKG-Chirurg in ., L., in Praxisgemeinschaft mit der Zahnärztin K.. Die Beigeladene zu 1) machte im Rahmen der Anhörung dagegen geltend, es sei nicht klar, wie der Antragsteller die Patientenversorgung am Vertragszahnarztsitz sicherstellen wolle, wenn er in der geplanten Zweigniederlassung auf Sylt in 650 km Entfernung tätig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) genüge der Zahnarzt seiner Residenzpflicht nur dann, wenn er seine Praxis regelmäßig innerhalb von etwa 30 Minuten erreichen könne. Für chirurgisch behandelte Patienten sei die Zeitspanne eher noch enger zu fassen. Die mit dem Antragsteller in Gemeinschaftspraxis tätige Ehefrau sei Kieferorthopädin. Der Antragsteller teilte daraufhin mit, die geplante Tätigkeit in La. werde auf ca. drei Tage im Monat beschränkt bleiben. An den Tagen der Abwesenheit könne in Thüringen nicht operiert werden, so dass es auch keiner Zuständigkeit für operierte Patienten bedürfe. Die Nachsorge finde auch ansonsten üblicherweise beim Hauszahnarzt statt. Im Fachgebiet der MKG-Chirurgie seien 99 % aller Operationen planbare Eingriffe, so dass drei OP-freie Tage im Monat einzurichten seien.

Mit Bescheid vom 19. September 2007 ermächtigte der Zulassungsausschuss für Zahnärzte, Zulassungsbezirk Schleswig-Holstein, den Antragsteller zur Ausübung vertragszahnärztlicher Tätigkeit in Zweigpraxis für La./Kreis Nordfriesland ab 1. Oktober 2007 verbunden mit der Auflage, dass die vertragszahnärztliche Tätigkeit in der Zweigpraxis ein Drittel der Zeit der vertragszahnärztlichen Tätigkeit an dem Vertragszahnarztsitz nicht überschreiten dürfe. Die Voraussetzungen einer Ermächtigung gemäß § 24 Abs. 3 Satz 3 Zahnärzte-ZV seien gegeben. Durch die Genehmigung der Zweigpraxis werde die zahnärztliche Versorgung der Versicherten in La./Kreis Nordfriesland verbessert. Da sich nach der Erklärung des Antragstellers die geplante Tätigkeit in La. auf ca. drei Tage im Monat beschränken werde, sei die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Vertragszahnarztsitz in S. nicht beeinträchtigt.

Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1) Widerspruch. Zwar gehe der Bundesmantelvertrag davon aus, dass regelmäßig eine Beeinträchtigung der vertragsärztlic...

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