Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der Anfechtungsklage gegen formal begünstigenden Verwaltungsakt. Klagebefugnis. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bewilligung einer nicht beantragten Eingliederungsleistung an einen Selbstständigen. Kostenübernahme für Tragfähigkeitsanalyse. drohende Rückforderungsansprüche wegen Rechtswidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Auch gegen einen formal begünstigenden Verwaltungsakt ist die Anfechtungsklage zulässig, wenn der Adressat das Vorliegen einer Beschwer behaupten kann (§ 54 Abs 1 S 2 SGG).
2. Wird eine Leistung zur Eingliederung in Arbeit als Sachleistung bewilligt, reicht die substantiierte Behauptung des Empfängers, er sehe sich wegen der Rechtswidrigkeit der Leistung späteren Rückforderungsansprüchen des Leistungsträgers ausgesetzt, zur Anerkennung der Klagebefugnis aus.
3. Zum Erfordernis eines gesonderten Antrags bei Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach §§ 16ff SGB II.
4. Zur Rechtsqualität einer Tragfähigkeitsanalyse nach § 16c Abs 3 S 2 SGB II.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 21. September 2015 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Klageverfahren gegen den Beklagten beim Sozialgericht Kiel Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und Rechtsanwalt F___, K___straße _, ___ Ka__ als Prozessbevollmächtigter beigeordnet.
Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die vom Kläger beantragte und vom Sozialgericht Kiel mit Beschluss vom 21. September 2015 abgelehnte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 40 AS 212/13, mit dem sich der Kläger im Wege der Anfechtungsklage gegen die Bewilligung der Kostenübernahme für eine Tragfähigkeitsanalyse (3.600,00 EUR netto zzgl. Umsatzsteuer, zahlbar nach Rechnungslegung an die durchführende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) im Rahmen der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit wendet.
Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit folgender Begründung abgelehnt: Die Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil der Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis dargetan habe. Er sei durch die Bewilligungsentscheidung nicht beschwert. Soweit der Kläger darauf hinweise, dass er wegen der Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung späteren Rückforderungsansprüchen ausgesetzt sein könne, sei dies zur Anerkennung einer Beschwer nicht ausreichend. Für den Fall einer späteren Rücknahme der Bewilligungsentscheidung stünde es dem Kläger frei, die gegen diese Entscheidung vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten zu ergreifen.
Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, dass der Beklagte sich in einem früheren Vergleich dazu verpflichtet habe, die Kosten für eine Tragfähigkeitsanalyse zu tragen, nunmehr jedoch - davon abweichend - einen Zuschuss aus einem Fördertopf bewilligt habe, der Mittel für Existenzneugründungen enthalte. Er sei jedoch schon mehrere Jahre selbständig tätig und habe auf solche Leistungen folglich keinen Anspruch mehr. Er sehe sich daher der konkreten Möglichkeit einer Rückforderung der Leistung ausgesetzt. Im Übrigen handele es sich lediglich um eine Zusage für einen Zuschuss. Er trage damit das Risiko, dass die Analyse teurer werde als vom Beklagten veranschlagt. Im Übrigen beziehe sich der Beklagte zu Unrecht auf einen vermeintlichen Antrag auf die gewährte Leistung, den er jedoch nie gestellt habe.
II.
Die fristgerecht erhobene (vgl. § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist insbesondere statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. b SGG ausgeschlossen. Die Sachleistung, durch die sich der Kläger beschwert sieht, überschreitet mit einem Wert von 4.284,00 EUR den Betrag von 750,00 EUR, so dass die Berufung in der Hauptsache der Zulassung nicht bedürfte (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag hin Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Kläger durch Beibringung einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgewiesen. Die Rechtsverfolgung erscheint nicht mutwillig.
Anders als das Sozialgericht sieht der Senat für die Rechtsverfolgung auch hinreichende Erfolgsaussichten. Die Anforderungen an das Hinreichen der Erfolgsaussichten dürfen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht überzogen werden. Hinreichende Erfolgsaussichten sind schon dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des ...