rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensgebühr. Terminsgebühr. Unbilligkeit. Verhandlungsdauer
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Höhe der Verfahrens- und der Terminsgebühr sind die Kriterien des § 14 RVG jeweils gesondert zu prüfen.
2. Die Terminsgebühr vor den Sozialgerichten ist in Höhe der Mittelgebühr festzusetzen, wenn die Verhandlung – mit oder ohne Beweisaufnahme – 50 Minuten gedauert hat und Besonderheiten des Einzelfalles nicht hervorgetreten sind.
Normenkette
RVG §§ 3, 14, 45; VVRVG Nrn. 3102, 3106
Verfahrensgang
SG Schleswig (Beschluss vom 04.10.2005; Aktenzeichen S 2 SF 12/05 SK) |
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 4. Oktober 2005 wird aufgehoben.
Der Antragsteller ist mit 336,98 EUR zu vergüten.
Gründe
Die Beteiligten streiten über die Höhe der anwaltlichen Vergütung.
Der Antragsteller war dem Kläger des Verfahrens S 3 AL 107/04 im Wege der Prozesskostenhilfe als Prozessbevollmächtigter beigeordnet (Beschluss vom 18. Oktober 2004). Zuvor war in diesem Verfahren in der Zeit vom 12. Mai bis 4. Oktober 2004 ein anderer Rechtsanwalt bevollmächtigt. In der Sache ging es dem Kläger um Fahrkosten zur Berufsschule in Höhe von 173,00 EUR monatlich. Diese Leistung hatte die Beklagte im Rahmen der Berufausbildungsbeihilfe gewährt, dann aber mit Wirkung vom 1. Februar 2004 eingestellt. Der Kläger begehrte ihre Weiterzahlung bis zum Ausbildungsende am 31. Januar 2006.
Nach Akteneinsicht nahm der Antragsteller an der mündlichen Verhandlung vom 17. Februar 2005 teil. Diese dauerte eine halbe Stunde. Eine Beweisaufnahme fand nicht statt. Das Verfahren endete mit dem zusprechenden Urteil vom 17. Februar 2005.
In seiner Kostenrechnung vom 25. Februar 2005 machte der Antragsteller eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VVRVG in Höhe von 250,00 EUR (Mittelgebühr) und eine Terminsgebühr nach Nr. 3106 VVRVG von 200,00 EUR (Mittelgebühr) sowie weitere – hier nicht umstrittene – Gebühren geltend. Die Kostenbeamtin des Sozialgerichts bewilligte nur die Hälfte der streitbefangenen Gebühren (Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. April 2005). Sie ging von einem unterdurchschnittlichen Streitverfahren aus. Die zugestandene Vergütung belief sich auf 336,98 EUR.
Auf die Erinnerung hiergegen äußerte sich der Geschäftsleiter des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts am 27. April 2005. Nachdem sich auch der Antragsteller am 13. Mai 2005 schriftsätzlich Stellung bezogen hatte, hat das Sozialgericht den Kostenfestsetzungsbeschluss abgeändert und die zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 597,98 EUR festgesetzt (Beschluss vom 4. Oktober 2005).
Hiergegen richtet sich die fristgemäße Beschwerde des Geschäftsleiters des Schleswig-Holsteinisches Landessozialgerichts, der zur Begründung auf seinen Schriftsatz vom 27. April 2005 verweist. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren an das Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht abgegeben. Dem Senat liegen die Akten des Verfahrens L 1 B 320/05 SF SK sowie die Streitakte S 3 AL 107/04 vor. Auf den Inhalt dieser Akten, auf die gewechselten Schriftsätze sowie die ergangenen Beschlüsse wird im Übrigen Bezug genommen.
Die Entscheidung des Sozialgerichts ist rechtlich nicht haltbar.
Nach § 3 RVG in Verbindung mit § 45 RVG ist ein Prozesskostenhilfe-Anwalt vor den Sozialgerichten ebenso zu vergüten wie ein Wahlanwalt. Der Anwalt hat deshalb auch § 14 RVG zu beachten. Danach bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Gegebenenfalls ist auch das Haftungsrisiko zu berücksichtigen. Ist die Gebühr von der Staatskasse zu ersetzen – wie es bei der Prozesskostenhilfe der Fall ist – dann ist die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbilligkeit liegt vor, wenn die in § 14 Satz 1 aufgeführten Kriterien – auch unter Berücksichtigung eines gewissen Beurteilungsspielraums – objektiv nicht hinreichend beachtet sind. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Die Kostenrechnung vom 25. Februar 2005 ist unbillig. Die Verfahrensgebühr ist nicht in Höhe der Mittelgebühr auszusetzen. Die Verfahrensgebühr ist in sozialgerichtlichen Streitigkeiten eine Rahmengebühr und beträgt 40,00 bis 460,00 EUR. Sie deckt das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information ab (amtliche Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VVRVG). Setzt man die Kriterien des § 14 RVG ins Verhältnis zur Rahmengebühr, dann ist die Mittelgebühr immer dann angebracht, wenn der zeitliche Aufwand und die Intensität der Arbeit für den Rechtsanwalt einen durchschnittlichen Aufwand erfordert haben. Das ist hier nicht der Fall. Das normale sozialgerichtliche Verfahren läuft so ab, dass der Kläger durch seinen Anwalt eine Klagschrift einreicht und sich dann ein Schriftwechsel zwischen den Beteiligten entwickelt. Sehr häufig erfolgen ger...