Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Sachverständigenvergütung. nachträgliche Geltendmachung der Umsatzsteuer nach Ablauf der 3-Monats-Frist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Mitbeteiligung des Gerichts am Fristversäumnis. Verletzung von Fürsorge- und Hinweispflichten
Leitsatz (amtlich)
1. Als Nebenpflicht aus einer vertraglichen Vergütungsvereinbarung des Gerichts mit einem häufig und langjährig beauftragten Sachverständigen können sich Fürsorge- und Hinweispflichten ergeben.
2. Eine Verletzung dieser Pflichten durch das Gericht kann einen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand des Sachverständigen auch dann begründen, wenn dieser eine Frist schuldhaft versäumt hat.
Tenor
Dem Erinnerungsführer wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Gründe
I.
Der Erinnerungsführer begehrt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
In dem Verfahren L 1 R 161/11 vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erstattete der Erinnerungsführer für die beabsichtigte mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2013 ein arbeitsmarkt- und berufskundiges Gutachten. Hierfür erhielt er die von ihm in Rechnung gestellte Vergütung nach dem JVEG i. H. v. 103,50 EUR. Umsatzsteuer auf den Rechnungsbetrag hatte der Erinnerungsführer nicht geltend gemacht.
Mit am 27. August 2013 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangenen Schreiben teilte der Erinnerungsführer mit, dass das Finanzamt Eckernförde-Schleswig mit Bescheiden vom 20. August 2013 hinsichtlich seiner Sachverständigentätigkeit ab dem Jahre 2006 Umsatzsteuer nacherhoben habe. Er bitte um “Einsetzung in den vorherigen Stand und beantrage die Nachberechnung der Umsatzsteuer„. Mit weiterem am 2. September 2013 eingegangenem Schreiben bezifferte er die von ihm nachzuentrichtende Umsatzsteuer auch für Gutachten in anderen Verfahren im Einzelnen. Zur Begründung seines Antrags führte der Erinnerungsführer aus, dass ihm seine Umsatzsteuerpflicht nicht bekannt gewesen sei. Obwohl es mit wechselnden Mitarbeitern des Finanzamts Gespräche über seine Sachverständigentätigkeit gegeben habe, sei er von dort zu keinem Zeitpunkt auf eine mögliche Umsatzsteuerpflicht hingewiesen worden.
Mit Schreiben vom 19. März 2013 teilte der Kostenbeamte des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts dem Erinnerungsführer mit, dass er den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ablehne. Zur Begründung führte er aus:
“Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) kann der Sachverständige die auf seine Vergütung entfallende Umsatzsteuer als Aufwendung geltend machen. Für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Schleswig-Holstein gilt, dass die Umsatzsteuer nicht mit der zwischen dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts und der Bundesagentur für Arbeit vereinbarten pauschalen Vergütung abgegolten ist. Dies ermöglicht einen gesonderten Ersatz. Die Vergütung wie auch die Nachvergütung der Umsatzsteuer richten sich dabei nach den Vorschriften des JVEG.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG erlischt der Anspruch auf Vergütung oder Entschädigung, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat, geltend gemacht wird. Innerhalb der dreimonatigen Frist muss der Sachverständige seinen Vergütungsanspruch nach Grund und Höhe vollständig beziffern und insbesondere auch die auf den Rechnungsbetrag entfallende Umsatzsteuer geltend machen. Mit der Kostenrechnung nicht geltend gemachte Umsatzsteuer kann er danach nur noch unter der Voraussetzung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG erhalten. Das Gericht gewährt dem Berechtigten, der ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 29. April 2013, 9 W 34/13, Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 7. November 2011, 1 Ws 398/11, Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Dezember 2011, L 15 SF 208/10 B E).
Der Sachverständige ist, auch wenn seine Tätigkeit als Sachverständiger nicht die hauptsächlich ausgeübte berufliche Tätigkeit darstellt, gehalten, sich mit den einschlägigen rechtlichen Bestimmungen des JVEG, einschließlich der für ihn relevanten steuerlichen Gegebenheiten vertraut zu machen. Rückfragen bei Steuerbehörden oder Steuerberatern, ob die Tätigkeit der Umsatzsteuer unterliegt, sind zumutbar. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts den Sachverständigen hierauf hinzuweisen. Unerheblich ist auch, ob Formulare des Gerichts eine Rubrik für die Geltendmachung der Umsatzsteuer enthalten. Denn es ist allein Aufgabe des Sachverständigen sich über die gesetzlichen Grundlagen seiner Rechnungstellung zu informieren (vgl. Oberlandesgericht München, 4. Senat, Beschluss vom 29...