Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Schulbegleitung. Nachrang der Sozialhilfe. Hilfen außerhalb des Kernbereichs pädagogischer Arbeit. keine Hilfegewährung durch den Schulträger trotz entsprechender Verpflichtung

 

Leitsatz (amtlich)

Solange der Schulträger entgegen seiner Verpflichtung aus dem SchulG die Kosten für Hilfen außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit nicht übernimmt, hat der Sozialhilfeträger dafür aufzukommen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

Die vom Antragsgegner am 6. Oktober 2016 erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2016, durch den der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, dem Antragsteller für das 1. Halbjahr des Schuljahres 2016/2017 Eingliederungshilfe in Form der Bereitstellung einer unterrichtsbegleitenden Hilfskraft im Umfang von bis zu zehn Wochenstunden in der Grundschule W... in G... zu gewähren, mit dem Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2016 aufzuheben und den Antrag abzulehnen,

hat keinen Erfolg.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) als auch ein Anordnungsgrund (im Sinne der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht sowohl eine Folgenabwägung vornehmen als auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 - juris).

Vorliegend vermag der Senat in Anbetracht der Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Dringlichkeit der Sache wegen des in Kürze ablaufenden Beschwerdezeitraums nicht abschließend zu klären, ob der Antragsteller die Übernahme der Kosten für eine unterrichtsbegleitende Hilfskraft im Umfang von bis zu zehn Wochenstunden für das 1. Halbjahr des Schuljahres 2016/2017 als Leistungen der Eingliederungshilfe weiterhin verlangen kann. Ein Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs erscheint möglich, jedenfalls nicht offensichtlich aussichtslos. Da allerdings erhebliche Belange des Antragstellers berührt sind, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) eine erfolgsunabhängige Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, um wesentliche Nachteile vom Antragsteller abzuwenden. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach dem hier anzuwendenden Maßstab überwiegend hinreichend glaubhaft gemacht.

Ob der Antragsteller die Eingangsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erfüllt, lässt sich im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht abschließend klären. Wie auch das Sozialgericht in seinem Beschluss vom 14. September 2016 ausgeführt hat, spricht jedenfalls mehr dafür als dagegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Auch aus dem Beschwerdevorbringen des Antragsgegners folgt nichts anderes. Aus der sozialpädagogischen Stellungnahme des Fachdienstes Soziale Hilfen und Teilhabe vom 30. Dezember 2016 ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. Eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Antragstellers, der von dem Antragsgegner seit seinem 2. Lebensjahr Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten hat, ist für den Senat nicht ersichtlich. Die bekannten Einschränkungen bestehen, wie auch der Bericht der Schule vom 22. Dezember 2016 anschaulich beschreibt, vielmehr weiter.

Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und die auf Grundlage der Ermächtigung des § 60 SGB XII erlassene Eingli...

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