Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Zweigpraxis. Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Verbesserung der Versorgung der Versicherten" iS von § 24 Ärzte-ZV idF vom 22.12.2006. Genehmigung einer Zweigpraxis betrifft die Berufsausübung iS von Art 12 Abs 1 S 2 GG
Orientierungssatz
1. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der "Verbesserung der Versorgung der Versicherten" in § 24 Abs 3 S 1 Nr 1 Ärzte-ZV ist für den Fall umstritten, wenn die Eröffnung einer Zweigpraxis in einem Planungsbereich begehrt wird, in dem Zulassungsbeschränkungen wegen festgestellter Überversorgung bestehen.
2. Der Begriff der "Verbesserung" der Versorgung der Versicherten iS des § 24 Abs 3 Ärzte-ZV nF ist dahin zu verstehen, dass eine "Bedarfslücke" besteht, die zwar nicht unbedingt geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte und im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation herbeiführt. Es kann nicht angenommen werden, dass jede weitere Eröffnung einer Praxis bzw. Zweigpraxis das Versorgungsangebot unter dem Gesichtspunkt der Freiheit der Arztwahl "verbessert" (vgl SG Marburg vom 7.3.2007 - S 12 KA 701/06).
3. Eine Verbesserung der Versorgung wird durch die Genehmigung einer Zweigpraxis erreicht, wenn bestimmte Leistungen in dem betreffenden Planungsbereich regional nicht oder nicht im erforderlichen Umfang angeboten werden (vgl LSG Darmstadt vom 29.11.2007 - L 4 KA 56/07 ER).
4. Die Genehmigung einer Zweigpraxis betrifft nicht die stärker geschützte Freiheit der Berufswahl, sondern lediglich die Berufsausübung und wirkt sich darüber hinaus sehr viel weniger einschneidend aus, als andere Ausübungsregelungen wie z.B. Zulassungssperren (vgl BSG vom 18.3.1998 - B 6 KA 37/96 R = BSGE 82, 41 = SozR 3-2500 § 103 Nr 2).
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 22. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR
festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Genehmigung für eine Zweigpraxis.
Die Antragstellerin ist eine Gemeinschaftspraxis von zehn Ärzten, deren Ärzte im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin mit Sitz in P. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind und die radiologische Leistungen erbringen. Am 2. April 2007 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Genehmigung vertragsärztlicher Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes in einer Zweigpraxis in H. in den Räumlichkeiten der dortigen Pa.-Klinik, um auch dort Mammographien, konventionelles Röntgen, Computertomographien und Sonographien durchzuführen. Zur Begründung machte sie im Wesentlichen geltend, dass in der näheren Umgebung der geplanten Zweigpraxis kein niedergelassener Radiologe tätig sei. Im Umfeld der geplanten Zweigpraxis seien zwei Vertragsarztsitze weggefallen. Am Praxissitz in P. würden bereits 800 Behandlungsfälle von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung und ca. 350 Behandlungsfälle bei Privatpatienten pro Quartal behandelt, die ihren Wohnsitz im Einzugsbereich der beantragten Zweigpraxis hätten. Für diese Patienten werde die Einrichtung der Zweigpraxis zu einer Verbesserung der Versorgung führen. Die neue Betriebsstätte in H. werde in der Pa.-Klinik H. eingerichtet. Bereits jetzt bestehe in der stationären Versorgung eine enge Kooperation mit der Pa.-Klinik in Form konsiliarischer Tätigkeit. Die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes werde nicht beeinträchtigt. Durch die Einrichtung der Zweigpraxis bei der Pa.-Klinik in H. komme es zu keiner Mengenausweitung. Die Antragstellerin nahm Bezug auf die Zweigpraxis befürwortenden Erklärungen von Vertragsärzten mit Praxissitz in H. und N..
Die Antragsgegnerin stellte Ermittlungen zum Einzugsbereich der Praxis der Antragstellerin an und befragte die in N. niedergelassene Radiologische Gemeinschaftspraxis Dres. K. und Kollegen, wie sie den Bedarf für die begehrte Zweigpraxisgenehmigung beurteile. Die Gemeinschaftspraxis Dres. K. und Kollegen, N., teilte dazu mit, dass der Planungsbereich für die beantragten Leistungen wegen Überversorgung gesperrt sei. Nach den Feststellungen des Zulassungsausschusses aus einem Verfahren um die Erteilung einer Sonderbedarfszulassung sei bekannt, dass der derzeitige Versorgungsgrad im Planungsbereich Segeberg für die Gruppe der Radiologen 195,9 % betrage. Auch die Antragstellerin der Zweigpraxis habe in diesem Verfahren zum Ausdruck gebracht, dass für eine derartige Sonderbedarfszulassung kein Bedarf gesehen werde. Alle für die Zweigpraxis beantragten Leistungen würden in N. erbracht. Die Praxis in N. liege von H. nur 10 km (13 Minuten Fahrzeit) entfernt. H. gehöre zu ihrem unmittelbaren Einzugsbereich. Sie habe ihre Versorgungskompetenz noch dadurch verstärkt, dass sie ab 1. Februar 2007 einen weiteren Facharzt für diagnostische Radiolog...