Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Genehmigung. Nichtanwendung von bedarfsplanungsrechtlichen Bestimmungen. Verbesserung der Versorgung. Zweigpraxis
Leitsatz (amtlich)
Für die Genehmigung einer Zweigpraxis gem. § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV ist es nicht (mehr) notwendig, dass eine Bedarfslücke in der Versorgung (eine lokale quantitative oder qualitative Unterversorgung) besteht, vielmehr reicht eine Verbesserung der Versorgung für die betroffenen Versicherten aus. Eine solche Verbesserung der Versorgung kann u.a. in der besseren Erreichbarkeit für die Versicherten am Ort der geplanten Zweigpraxis bestehen.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. April 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 12. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2007 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Genehmigung für eine Nebenbetriebsstätte der Klägerin in ... B. zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 15.000 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gemeinschaftspraxis, begehrt die Genehmigung einer urologischen Zweigpraxis.
Die klagende Gemeinschaftspraxis (im Folgenden: Klägerin) wird von den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen und in A. niedergelassenen Fachärzten für Urologie Dr. A.-Al und Dipl. med. T. seit November 1999 betrieben.
Mit Schreiben vom 24. November 2006 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, die vertragsärztliche Tätigkeit auch in B. ausüben zu dürfen. Nach § 24 Abs. 3 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) seien vertragsärztliche Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztssitzes an weiteren Orten zulässig, wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessere und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt werde. In diesem Zusammenhang legte die Klägerin ein Schreiben des Ostalbklinikums A. vom 22. November 2006 vor, mit dem der Klägerin ab dem 1. April 2007 Räume für eine Zweigpraxis in B. angeboten wurden. Des Weiteren wurde von Seiten der Klägerin ausgeführt, in B. sei derzeit kein Urologe niedergelassen oder zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Die ca. 10.000 Einwohner B.s suchten Urologen entweder in Bayern oder in Schr. auf, da sich dort die nächstgelegenen Praxen befänden. Daraus ergebe sich, dass sich durch die Einrichtung eines Ortes, an dem vertragsärztliche Tätigkeiten angeboten würden, die Versorgung der Versicherten in B. verbessern werde. Es sei beabsichtigt, die Versorgung in der Woche an zwei Vormittagen zu jeweils vier Stunden und an einem Nachmittag zu drei Stunden durchzuführen. Dadurch werde der Umfang der Sprechstunden für die vertragsärztliche Versorgung am Vertragsarztsitz in A. in keiner Weise beeinträchtigt. Dort werde die vertragsärztliche Versorgung im bisherigen Umfang aufrecht erhalten.
Die Klägerin teilte auf Anfrage der Beklagten ergänzend am 29. März 2007 mit, durch die Tätigkeit in der Zweigpraxis verändere sich das Leistungsspektrum am Vertragsarztsitz in keiner Weise, am Vertragsarztsitz gäbe es keine besonderen Wartezeiten für Leistungen, die in der Nebenbetriebsstätte angeboten werden sollten. In der Nebenbetriebsstätte sollten alle die Leistungen angeboten werden, die auch am eigentlichen Vertragsarztsitz angeboten würden und die Leistungen in der Nebenbetriebsstätte würden von der Klägerin selbst erbracht, ohne einen angestellten Arzt zu beschäftigten.
Im weiteren teilte auf Anfrage der Beklagten ferner der in A. tätige Facharzt für Urologie Dr. T. mit Schreiben vom 7. Mai 2007 mit, in seiner Praxis bestünden freie Kapazitäten für Patienten und zwischen der Terminvergabe und der Behandlung in seiner Praxis gebe es keine Wartezeiten. Außerdem würde die Genehmigung einer Nebenbetriebsstätte in B. mit Sicherheit die Fallzahl in seiner Praxis beeinträchtigen, da eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Patienten, die er derzeit seit Jahren betreue, aus dieser Gegend stamme.
Nach einer von der Beklagten erstellten Übersicht der im Planungsbereich Ostalbkreis zugelassenen Fachärzte für Urologie erreichten bei einem Fachgruppendurchschnitt von 1273 der im Planungsbereich Ostalbkreis zugelassenen Fachärzte für Urologie im Quartal 4/2006 Dr. S. in Schw. Gm. eine Fallzahl von 1415, Dr. G. in Schw. Gm. eine Fallzahl von 951, Dr. T. in A. eine Fallzahl von 1075, die Klägerin eine Fallzahl von 1705, der Arzt Sch. in A. eine Fallzahl von 618 und Dr. V. in Ell. eine Fallzahl 996.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2007 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV sei die vertragsärztliche Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig, wenn und soweit die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztes nicht beeinträchtigt werde. Diese Neuregelung nehme...