Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Terminsgebühr bei schriftlichem Vergleich im sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
Entstehen Betragsrahmengebühren im sozialgerichtlichen Verfahren, fällt keine Terminsgebühr an, wenn einschriftlicher Vergleich geschlossen wird.
Tatbestand
Im Verfahren S 14 RJ 236/04 war der Beschwerdeführer im Wege der Prozesskostenhilfe dem Kläger als Prozessbevollmächtigter beigeordnet. Das Verfahren endete dadurch, dass der Kläger ein schriftliches Vergleichsangebot der Beklagten annahm.
Mit der Kostenrechnung vom 17. Oktober 2006 machte der Beschwerdeführer Gebühren nach den Nummern 3102, 3106 und 1006 VV RVG geltend. Die Kostenbeamtin gestand ihm in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 3. November 2006 lediglich die Nummern 3102 und 1006 VV RVG sowie weitere hier nicht umstrittene Gebühren zu. Hierzu gab sie an, die Voraussetzungen der Nr. 3106 VV RVG seien in dem vorliegenden Rechtsstreit nicht erfüllt.
Hiergegen legte der Beschwerdeführer Erinnerung ein, woraufhin das Sozialgericht den Beschluss vom 10. Juli 2007 erließ. Darin bestätigte das Sozialgericht die Entscheidung der Kostenbeamtin.
Mit der rechtzeitig eingelegten Beschwerde vom 25. Juli 2007 führte der Beschwerdeführer aus: Es sei richtig, dass der Wortlaut der Nr. 3106 VV RVG im vorliegenden Fall eine fiktive Terminsgebühr nicht zulasse. Er meine aber, dass die Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG analog anwendbar sei. Der unterschiedliche Wortlaut der Nr. 3104 und 3106 VV RVG sei nur durch ein Versehen des Gesetzgebers zu erklären. Die Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG sei im Gesetzgebungsverfahren ergänzt worden um das Tatbestandsmerkmal des schriftlichen Vergleichs. Dabei habe man versäumt, auch die Nr. 3106 VV RVG entsprechend zu ergänzen. Dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 28. März 2006 sei aus Rechtsgründen nicht zu folgen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Vorliegend war ein Verfahren anhängig, in dem der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt nach Betragsrahmengebühren vergütet wird. Wird in solchen Fällen - wie hier - das Verfahren durch einen schriftlichen Vergleich beendet, fällt die Gebühr nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG nicht an.
Der Beschwerdeführer gesteht zu, dass die Nr. 3106 VV RVG nach ihrem Wortlaut nicht eingreift. Er meint, die Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG sei aber analog anzuwenden. Dieser Meinung schließt sich der Senat nach erneuter Prüfung der Rechts- und Gesetzeslage nicht an.
Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt eine planwidrige Gesetzeslücke voraus. Diese ist nicht erkennbar. Der Gesetzgeber ist die Neuregelung der Gebühren im sozialgerichtlichen Verfahren sehr bewusst und wohlüberlegt angegangen. Das zeigt sich z. B. daran, dass er die Gebühr für die Fälle des § 153 Abs. 4 SGG, die seinerzeit in § 116 Abs. 2 BRAGO vorgesehen war, nicht in das RVG übernommen hat. In diesem Zusammenhang hat er unterschiedliche Regelungen für die Verfahren mit Betragsrahmengebühren und mit Wertgebühren geschaffen. Diesen Unterschied hat er bewusst gemacht. Denn dem Gesetzgeber des RVG und der Vergütungsvorschriften hierzu war bekannt, dass er bei der Ausarbeitung der neuen Vergütungsstrukturen regeln musste, ob bei Abschluss eines Vergleichs in sozialgerichtlichen Verfahren eine Terminsgebühr anfallen sollte oder nicht. Dass der Gesetzgeber dieses Bewusstsein gehabt hat, folgt aus den Regelungen in Nr. 3104 ff. VV RVG, aber auch aus den Nummern 3202 bis 3205 VV RVG. Gerade der ausdrücklichen Verweise in Nr. 3104, 3202 VV RVG auf die Nr. 3106, 3205 VV RVG zeigen, dass der Gesetzgeber bewusst für die Betragsrahmengebühren Spezialvorschriften einführen wollte. Hätte er die fiktive Terminsgebühr bei schriftlichen Vergleichen auch in den Verfahren mit Betragsrahmengebühren einführen wollen, wäre es naheliegend gewesen, den Wortlaut der Nr. 3106, 3205 VV RVG ausdrücklich in diesem Sinne zu erweitern. Das hat er aber nicht getan. Für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers gibt es keine konkreten Anhaltspunkte aus den Gesetzesmaterialien (BT Drucksache 15/1971, S. 209 - 212).
Es kann dahinstehen, ob es sinnvoll ist, nach Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG die fiktive Terminsgebühr in sozialgerichtlichen Verfahren mit Wertgebühren anfallen zu lassen, und ob es ggf. nicht noch sinnvoller gewesen wäre, diese Regelung auch auf die Nr. 3106 VV RVG zu erstrecken. Der Gesetzgeber hat dies nicht getan und nicht gewollt. An diese gesetzliche Vorgabe sieht sich der Senat aus Gründen der Gewaltenteilung gebunden. Die vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Lösung geht über die den Gerichten zustehende Gesetzesauslegung hinaus. Der Senat bleibt deshalb bei seiner Rechtsprechung, dass in Verfahren mit Betragsrahmengebühren außer in den ausdrücklich und abschließend aufgeführten Fällen der Nr. 3106, 3205 VV RVG eine fiktive Terminsgebühr nicht anfällt (so bereits in dem Beschluss vom 8. März 2006 - L 1 B 88/06 SF SK).
Diese Gesetzesauslegung ist verfassungsgemäß (Bundes...