Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung durch einstweilige Anordnung. Höhe der Verfahrensgebühr. Synergieeffekte durch gleichlautende Schriftsätze in mehreren Verfahren
Leitsatz (amtlich)
1. In Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung nach § 199 Abs 2 SGG erfolgt die Rechtsanwaltsvergütung nach Nr 3102 VV-RVG. Anzusetzen ist dabei regelmäßig ein Betrag unterhalb der Mittelgebühr.
2. Synergieeffekte durch gleichlautende Schriftsätze in mehreren Verfahren können sich gebührenmindernd auswirken.
Tenor
Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23. Januar 2013 wird geändert und die Vergütung auf 119,10 EUR festgesetzt.
Das Verfahren ist gebührenfrei.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren nach § 199 Abs. 2 SGG streitig (L 6 AR 35/12 AS ER).
Gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 7. November 2012 hat das Jobcenter Kiel beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht Berufung eingelegt (L 6 AS 167/12) und sich mit einer Beschwerde vom 17. Dezember 2012 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 14. Dezember 2012 gewandt, in dem er aufgefordert wird, der in dem Urteil ausgesprochenen Verpflichtung, Kosten der Unterkunft in bestimmter Höhe zu zahlen, unter Zwangsgeldandrohung nachzukommen. Hilfsweise hat das Jobcenter Kiel die Anordnung der Aussetzung der Vollstreckung aus dem Urteil beantragt. Am 19. Dezember 2012 hat sich der Erinnerungsführer beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht mit dem Antrag gemeldet, den Vollziehungsaussetzungsantrag zurückzuweisen und für das Verfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren. In einem weiteren Schriftsatz vom 21. Dezember 2012 hat er inhaltlich zu dem Aussetzungsantrag Stellung genommen und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers vorgelegt. Mit Beschluss vom 27. Dezember 2012 hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht die Vollstreckung aus dem Urteil ausgesetzt, dem Antragsteller für das Aussetzungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und den Erinnerungsführer beigeordnet.
In seiner Kostenrechnung vom 5./9. Januar 2013 hat der Erinnerungsführer die Festsetzung von 392,70 EUR beantragt:
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Verfahrensgebühr Nr. 3202 VV-RVG |
310,00 EUR |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer |
62,70 EUR |
Gesamtsumme |
392,70 EUR |
Mit Festsetzungsbeschluss vom 23. Januar 2013 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle diesen Betrag reduziert:
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Verfahrensgebühr Nr. 3501 VV-RVG |
60,00 EUR |
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV-RVG |
12,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
13,68 EUR |
Gesamtbetrag |
85,68 EUR |
Zur Begründung ist ausgeführt, die Nummern 3102 und 3204 VV-RVG fänden keine Anwendung, sondern vielmehr sei Vergleichsmaßstab für die Bemessung der Gebühr die Nr. 3501 VV-RVG. Dies entspräche der Rechtsprechung der Sozialgerichte Kiel (16. Februar 2012 - S 21 SF 141/11 E) und Aachen (9. April 2008 - S 11 AS 154/06 ER). Die Nr. 3501 VV-RVG schreibe für die Verfahrensgebühr einen Gebührenrahmen in Höhe von 15,00 bis 160,00 EUR vor. Der Rechtsanwalt habe die Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr bestimmt. Diese Gebührenbestimmung erscheine unbillig, da die Schriftsätze inhaltlich den Schriftsätzen in Parallelverfahren entsprächen und damit ein Synergieeffekt vorliege, der einen Abschlag von der Mittelgebühr rechtfertige.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 19. Februar 2013 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Erinnerung des Erinnerungsführers. Er beantragt nunmehr die Vergütung wie folgt festzusetzen:
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Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG |
250,00 EUR |
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV-RVG |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG |
51,30 EUR |
Summe |
321,30 EUR |
Zur Begründung führt er aus, die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV-RVG sei Rechtsfolge der Vorbemerkung 3.2 Abs. 2 VV-RVG des Abschnitts 2. Diese beziehe sich nicht nur auf die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsaktes, sondern in ihrer ersten Alternative auch auf Verfahren der einstweiligen Anordnung. Das sei im Übrigen auch billig, da kein Grund bestehe, für Eilrechtsschutzverfahren nach § 199 Abs. 2 SGG niedrigere Gebühren entstehen zu lassen, als für Verfahren, die wegen der Vollziehbarkeit von Verwaltungsakten geführt würden. Die Anwendung der Nr. 3501 VV-RVG scheitere bereits an ihrem Wortlaut, der nur die Erinnerungen und Beschwerden einbeziehe. Um solche sei es hier jedoch nicht gegangen. Der Synergieeffekt könne sich nur auf den Faktor des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit auswirken. Außerdem sei zweifelhaft, warum ein Rechtsanwalt mit mehr Kenntnissen weniger erhalten solle. Auch das Gesetz sehe die Vergütung von Synergien nur in bestimmten Fällen vor.
Der Erinnerungsgegner bleibt bei seiner Auffassung.
Nach Anhörung der Beteiligten hat die zuständige Einzelrichterin das Verfahren ...