Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankengeldanspruch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes. Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs. Erhalt geringerer Leistungen nach SGB 2

 

Leitsatz (amtlich)

Ist im einstweiligen Rechtsschutz der für den Krankengeldanspruch erforderliche Anordnungsanspruch überzeugend glaubhaft gemacht, so steht dem Anordnungsgrund der Erhalt geringerer Leistungen nach dem SGB 2 nicht entgegen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 12. September 2012 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 1. November 2012 Krankengeld nach den gesetzlichen Bestimmungen und höchstens für die Dauer des Hauptsacheverfahrens zu gewähren.

Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der 1958 geborene Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin Krankengeld im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes. Er ist türkischer Herkunft, hält sich seit 1971 in der Bundesrepublik Deutschland auf und ist nach dem Akteninhalt als Elektriker beschäftigt gewesen. Am 13. September 2011 bescheinigte die Praxis Dres. B... und K...-R... eine Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers wegen einer Niereninsuffizienz, die durch den Nephrologen Dr. J... am 23. September 2011 bestätigt wurde. In den Verwaltungsakten der Antragsgegnerin befindet sich auf Bl. 5 ein Gesprächsvermerk über eine Beratung des Antragstellers dahingehend, dass bei einer Beschäftigung seinerseits erst ab 3. August 2011 und Kündigung zum 30. September 2011 nach § 44 SGB V ein Anspruch auf Krankengeld erst entstehen könne, wenn eine Beschäftigung mindestens 10 Wochen bestehe und ihm deshalb der Rat gegeben worden sei, die Arbeitsunfähigkeit mit dem 30. September 2011 zu beenden und sich bei der Arbeitsagentur zu melden sowie dort Arbeitslosengeld I zu beantragen. Wenn er über den 30. September 2011 weiter arbeitsunfähig sei, gebe es kein Krankengeld und es würde nur Hartz IV bleiben. Ab 1. November 2011 erhielt der Antragsteller Arbeitslosengeld I. Ab 8. Dezember 2011 wurde bei ihm erneut Arbeitsunfähigkeit wegen chronischer Niereninsuffizienz und schwerer Depression bescheinigt. Der MDK (Dipl.-Med. Ba...) kam gleichwohl ohne Untersuchung des Antragstellers zu dem Ergebnis, dass Arbeitsfähigkeit für leichte Tätigkeiten vorliege. Daraufhin beendete die Antragsgegnerin die Krankengeldzahlung zum 17. Januar 2012. Nach Bestätigung der weiteren Arbeitsunfähigkeit durch Dr. B... und der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Psychiaterin Dr. G... kam der MDK (Dr. W...) nunmehr zu der Einschätzung, dass bei dem Antragsteller eine Arbeitsunfähigkeit auf Zeit vorliege. In der nachfolgenden Zeit bescheinigte Dr. B... die weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers. Seit 14. März 2012 wird bei ihm eine Dialyse durchgeführt. Am 2. Juli 2012 kam der Chirurg Dr. S... vom MDK ohne Untersuchung des Antragstellers zu dem Ergebnis, dass dieser vollschichtig leistungsfähig sein dürfte. Mit Bescheid vom gleichen Tag beendete die Antragsgegnerin die Krankengeldzahlung zum 4. Juli 2012. Auf den Widerspruch des Antragstellers hin führte Dr. S... eine Untersuchung bei ihm durch und kam zu dem Ergebnis, dass an den Dialysetagen (Montag, Mittwoch - dieser Dialysetag wurde in der Beurteilung offensichtlich übersehen - und Freitag) das Leistungsbild einer leichten Tätigkeit sicher nicht beschreibbar sei. Mindestens an den dialysefreien Tagen sei jedoch eine leichte vollzeitige Tätigkeit möglich. Wie dies leistungsrechtlich umzusetzen sei, sei Aufgabe der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller hat am 27. August 2012 beim Sozialgericht Lübeck die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung von Krankengeld im Wege der einstweiligen Anordnung beantragt und dies damit begründet, dass sein Leistungsvermögen nicht nur durch die Niereninsuffizienz eingeschränkt sei, wie der ihn behandelnde Nephrologe unter dem 14. Juli 2012 bescheinige, sondern eine Einschränkung auch auf psychiatrischem Gebiet vorliege, wie die Ärztin Dr. G... unter dem 16. August 2012 bestätige. Sein Antrag auf Arbeitslosengeld I sei wegen Arbeitsunfähigkeit abgelehnt worden. Vom Jobcenter L... seien ihm mit Bescheid vom 3. September 2012 Leistungen von zuletzt monatlich 865,72 EUR bewilligt worden. Durch diese Leistungen erfolge jedoch nur eine Grundabsicherung, der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft liege erheblich höher.

Die Antragsgegnerin hat sich auf das Begutachtungsergebnis des MDK berufen. Als Arbeitsloser orientiere sich die Entscheidung der Arbeitsunfähigkeit an leichten Tätigkeiten, für die er sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt habe. Von einer entsprechenden Leistungsfähigkeit sei im Hinblick auf das Gutachten des MDK auszugehen. Zwar liege an den Dialysetagen Arbeitsunfähigkeit vor, jedoch keine dauerhafte, weil er an den dialysefreien Tagen arbeiten ...

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