Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. illegales Beschäftigungsverhältnis. Beitragsberechnung unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse VI bei Nichtvorliegen der Lohnsteuerkarte. keine Anwendung von § 7a Abs 7 SGB 4 auf Bescheide über Betriebsprüfungen. sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz
Leitsatz (amtlich)
Bei der der Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen ist der Berechnung - soweit dem Arbeitgeber keine Lohnsteuerkarte vorgelegen hat - die Lohnsteuerklasse VI zugrunde zu legen.
Orientierungssatz
Der Anwendungsbereich von § 86a Abs 2 Nr 1 SGG wird im Hinblick auf Bescheide der Betriebsprüfungen gemäß § 28p Abs 1 S 5 SGB 4 und die in diesem Zusammenhang getroffenen Statusentscheidungen durch § 7a Abs 7 S 1 SGB 4 nicht berührt (vgl LSG Schleswig vom 7.9.2015 - L 5 KR 147/15 B ER).
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 13. Juli 2015 aufgehoben.
Die Anträge des Antragstellers, festzustellen, dass sein Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015 aufschiebende Wirkung hat, hilfsweise, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen diesen Bescheid anzuordnen, werden abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten beider Instanzen.
Der Streitwert wird auf 5.862,78 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Januar 2015, mit dem diese Beiträge für die Tätigkeit von W... A... und R... S... beim Antragsteller nachfordert; im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt er die Feststellung, dass sein Widerspruch gegen die Feststellung aufschiebende Wirkung hat, hilfsweise deren Anordnung.
Der Antragsteller betreibt seit 2010 ein Transportunternehmen für Wert- und Sicherheitstransporte innerhalb Europas (P…-W…-Logistik). Hierfür werden von ihm gepanzerte Sicherheitstransporter eingesetzt. Die Fahrten werden jeweils mit zwei Personen durchgeführt, wobei die Fahrzeuge während des Transports durchgehend mit GPS überwacht werden. Dabei wechseln sich die Personen während der Fahrten als Fahrer ab. Die Fahrten wurden durch den Antragsteller selbst und bei ihm fest angestellte, sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer durchgeführt. Zusätzlich zu diesen beauftragte der Antragsteller W... A... vom 1. Januar 2012 bis 31. März 2013 und R... S... vom 27. Juli 2011 bis 30. Juni 2012 mit der Durchführung von Fahrten. Mit diesen hatte er Dienstleistungsverträge abgeschlossen.
Aufgrund einer anonymen Anzeige erfolgte am 27. September 2012 eine Prüfung der Geschäftsunterlagen der Firma des Antragstellers beim beauftragten Steuerbüro durch das Hauptzollamtes (HZA). Anschließend wurde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, in dessen Zuge die Informationen und Unterlagen an die Antragsgegnerin zur Auswertung übergeben wurden.
Mit Schreiben vom 23. September 2014 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 22.682,38 EUR im Hinblick auf Beschäftigungen des W... A... und R... S... an, weil diese nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin abhängig beschäftigte Arbeitnehmer seien, die der Sozialversicherungspflicht unterlägen und für die Beiträge nicht entrichtet worden seien.
In seiner Stellungnahme vom 17./20. Oktober 2014 wies der Antragsteller darauf hin, dass es sich bei den betroffenen Personen um selbstständig tätige Mitarbeiter gehandelt habe. So seien weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld oder andere Zuschläge vereinbart worden. Das gelte auch für die Lohnfortzahlung im Urlaub und bei Krankheit. Die betroffenen Personen hätten Aufträge ablehnen können. Sie seien in das Unternehmen des Antragstellers nicht eingegliedert gewesen. Eigene Geldtransporter hätten die betroffenen Personen schon deshalb nicht einsetzen können, da es sich hier um sehr teure Spezialfahrzeuge handele. In der Wahl ihrer genauen Touren zum jeweiligen Ablieferungsort seien die Fahrer frei gewesen. Die von der Antragsgegnerin durchgeführte fiktive Netto-Entgeltabrede nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV finde hier keine Anwendung, da der Antragssteller ohne Vorsatz gehandelt habe. Er habe sich nämlich entsprechend seinen Pflichten als Arbeitgeber Rat beim Steuerberater eingeholt. Dieser habe ihm die Auskunft erteilt, dass es sich um selbstständig Tätige handele, soweit sie neben ihm, dem Antragsteller, noch weitere Auftraggeber hätten. Die Berücksichtigung der höchsten Steuerklasse sei unzutreffend.
Mit Feststellungsbescheiden vom 14. Januar 2015 bestimmte die Antragsgegnerin, dass für die Mitarbeiter des Antragstellers W... A... und R... S... in den jeweils streitigen Zeiträumen versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bestanden hätten. Die Höhe der Ansprüche auf Gesamtsozialversicherungsbeiträge werde in einem weiteren Bescheid festgestellt. Dies erfolgte mit Beitragsbescheid vom 1...