Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Hilfsmittelversorgung. Elektrorollstuhl mit Stehfunktion. Rollstuhlfahrerin. Behinderungsausgleich. Erfüllung des Grundbedürfnisses "Stehen". einstweiliger Rechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Versorgungsanspruch mit einem Rollstuhl mit Aufstehfunktion und einer Umfeldsteuerung im einstweiligen Rechtsschutz.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 15. April 2013 geändert.

Die Antragsgegnerin wird im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, die Antragstellerin mit einem Elektrorollstuhl mit Aufstehfunktion zu versorgen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten für beide Instanzen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die vorläufige Versorgung der Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes mit einem elektrischen Rollstuhl mit Aufstehfunktion und Umfeldsteuerung.

Die 1960 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin als Rentnerin krankenversichert. Sie erhält seit 1. Juli 2007 Leistungen der vollstationären Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe III. Bei ihr liegt ein Zustand nach Hirnstammblutung 2006 mit u. a. verbliebener spastischer Tetraparese, Rumpfinstabilität, fehlender Kopfhaltefunktion, eingeschränkter Schluckfähigkeit und eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit vor. Sie befindet sich in einer vollstationären Pflegeeinrichtung der Parkklinik G... Deren Leitender Arzt Dr. T... verordnete der Antragstellerin einen elektrischen Rollstuhl C400 VS mit Stehfunktion, Kantelung, Bein- und Rückenverstellung und Sondersteuerung sowie Magic Drive Umfeldsteuerung und Sonderbau nach Langzeiterprobung. Diese Verordnung und einen Kostenvoranschlag der Firma Ta... & S... über eine entsprechende Versorgung zu einem Gesamtpreis von 27.561,49 EUR erhielt die Antraggegnerin im Februar 2012. Der von der Antragsgegnerin eingeschaltete MDK Nord (Dr. U...) kam daraufhin zu der Einschätzung, dass zwar prinzipiell die Voraussetzungen für ein elektrisches Krankenfahrzeug erfüllt seien, jedoch Zweifel an der Verkehrstauglichkeit bestünden. Die Stehfunktion erscheine nicht zwingend erforderlich, da ein Stehtraining ausreichend in einem vom Heim vorzuhaltenden Stehständer durchgeführt werden könne. Eine Umfeldsteuerung erscheine nicht erforderlich, weil Geräte, wie Radio und Fernseher, von der Antragstellerin auch mit einer konventionellen Fernbedienung bedient werden könnten. Auf Anfrage der Antragsgegnerin führte Dr. T... mit Schreiben vom 20. März 2012 ergänzend aus, dass der Elektro-Stehrollstuhl benötigt werde, um sowohl die Lebensqualität zu verbessern, die Selbstständigkeit zu fördern und die Organfunktion anzuregen, und zwar zur Mobilisierung der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke, Verbesserung der Atemsituation, orthostatisches Kreislauftraining, Vermeidung einer Inaktivitätsosteoporose, Verbesserung des Urinabflusses und der Verdauungsfunktion sowie Vermeidung von Dekubiti. Die Antragsgegnerin holte noch eine ergänzende Stellungnahme der Sa... GmbH & TA... GmbH, Hilfsmittelberater O... F..., nach Hausbesuch ein und lehnte dann mit Bescheid vom 30. Juli 2012 die beantragte Versorgung ab, da die umfangreiche Ausstattung mit der Umfeldsteuerung nicht nachvollzogen werden könne und das Stehtraining anderweitig erfolge. Es werde allerdings ein Elektrorollstuhl mit elektrischen Verstelloptionen empfohlen. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Im Hinblick auf den beantragten Elektrorollstuhl mit Aufstehfunktion sei derzeit die Versorgung allein mit einem Elektrorollstuhl nicht gewünscht. Die Antragsgegnerin holte vom MDK eine weitere sozialmedizinische Stellungnahme ein. Darin kam Dr. Tb... zu der Einschätzung, dass sich die Antragsgegnerin letztendlich leistungsrechtlich positionieren müsse, inwieweit sie ihrer Versicherten ein aktiv selbstbestimmtes Leben ermöglichen möchte. Vorteile eines täglichen Stehtrainings seien medizinisch erkennbar, wobei das Stehen sowohl mit dem Stehtrainer als auch mit dem Aufstehrollstuhl möglich sei. Den Aufstehrollstuhl könne die Antragstellerin aktiv selbstbestimmt bedienen. Zu bedenken bleibe hierbei auch, dass Stehen ein Grundbedürfnis im Sinne des Bundessozialgerichts (BSG) darstelle. Mit der Umfeldsteuer könne die Antragstellerin Fernseher, Radio, Fenster etc. selbstständig bedienen. Alternativ sei die Umsetzung durch personelle Fremdhilfe. Daran schloss sich weiterer Schriftverkehr zwischen den Beteiligten an.

Am 11. Februar 2013 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Schleswig die Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt, sie, die Antragstellerin, mit einem Stehrollstuhl Elektro C400 VS Senior R-Net des Herstellers Permobil zu versorgen. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihren bisherigen Vortrag, dass das Stehtraining auf dem Liegebrett keine Alternative...

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