Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Erlass einer Regelungsanordnung. Hilfsmittel. Versorgung mit Stehrollstuhl

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die mit jedem Hauptsacheverfahren zwingend verbundenen zeitlichen Nachteile reichen für den Erlass einer Regelungsanordnung nicht aus.

2. Zum Anspruch auf Versorgung mit einem Stehrollstuhl.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 16. Mai 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um die vorläufige Versorgung der Antragstellerin mit einem Stehrollstuhl im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die 1973 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Sie leidet an einer zunehmenden Hirnatrophie unklarer Ursache mit Beeinträchtigung des Gleichgewichts, der Motorik und der intellektuellen Leistungsfähigkeit. Sie ist nicht mehr in der Lage, allein zu stehen. Seit 2006 lebt sie in

einer Pflegefamilie. Am 15. November 2012 verordnete die Allgemeinarztpraxis S... und K... die Versorgung der Antragstellerin mit einem Stehrollstuhl Lifestand LRS mit elektromotorischer Aufrichtung zum therapeutischen Stehtraining. Unter Vorlage dieser Verordnung beantragte das Sanitätshaus T... und Sa... in F... bei der Antragsgegnerin die entsprechende Kostenübernahme in Höhe von 8.937,66 EUR. Die Antragsgegnerin holte eine Stellungnahme des MDK Nord (Dr. U...) ein und lehnte eine entsprechende Versorgung mit Bescheid vom 21. Dezember 2012 ab, weil ein Stehtraining auch mit einem wesentlich wirtschaftlicheren Stehständer durchführbar sei. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin nach erneuter Einschaltung des MDK (Dr. Ta...) mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2013 ab, da das Grundbedürfnis Stehen auch durch ein Stehbrett erfüllt werde. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Schleswig. Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen S 10 KR 211/13 geführt.

Mit dem am 9. April 2014 beim Sozialgericht Schleswig eingegangenen Eilantrag verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes weiter. Sie begründet ihren Antrag im Wesentlichen damit, dass die Versorgung mit dem Stehrollstuhl dem Grundbedürfnis der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums und der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben diene, da sie auch gerne im Haushalt helfen wolle. Ein Abwarten im Hauptsacheverfahren sei ihr aufgrund der dreijährigen Laufzeiten, bis entschieden werde, nicht zumutbar. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, es liege weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund vor. Der Stehrollstuhl sei nicht erforderlich, da das Stehen auch durch das Stehbrett als kostengünstigere Alternative sichergestellt werden könne. Außerdem könne dem therapeutischen Erfolg Krankengymnastik, die die Antragstellerin nicht mehr in Anspruch nehme, dienen. An einem Anordnungsgrund fehle es, da es nicht um die Durchführung einer Behandlung, die keinen Aufschub dulde, gehe und durch die weitere Behandlungsverzögerung keine ernsthaften gesundheitlichen Schäden zu befürchten seien.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 16. Mai 2014 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, zur Krankenbehandlung sei der Stehrollstuhl nicht erforderlich, da hierfür ein Stehbrett ausreiche. Dem Behindertenausgleich diene der Stehrollstuhl auch nicht. Zwar sei das Grundbedürfnis Stehen betroffen, das von der Antragstellerin ohne fremde Hilfe nicht erreicht werden könne. Allerdings sei sie nicht in der Lage, die Aufstehfunktion des begehrten Stehstuhls zu bedienen, so dass sie auch insoweit auf fremde Hilfe angewiesen wäre. Sie sei daher nicht in der Lage, sich das Grundbedürfnis Stehen selbst zu erschließen, um ein selbstständigeres Leben zu führen, so dass sich aus dem Grundbedürfnis Stehen kein Anordnungsanspruch ergebe. Hinsichtlich der Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums und zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ergebe sich ebenfalls kein Anordnungsanspruch, da hierfür die Antragstellerin bereits mit einem Rollstuhl versorgt sei. Hinsichtlich der Versorgung als Pflegehilfsmittel bestehe zumindest kein Anordnungsgrund, da vor Einschaltung der Gerichte zunächst ein entsprechender Antrag bei der Pflegekasse zu stellen wäre.

Gegen den ihr am 20. Mai 2014 zugestellten Beschluss, mit dem das Sozialgericht auch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, eingegangen beim Sozialgericht Schleswig am 19. Juni 2014. Ferner beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren. Am 31. Juli 2014 begründet die Antragstellerin die Beschwerde damit, dass das streitige Hilfsmittel zur Teilnahme an täglichen Aktivit...

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