Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Erfolgsaussichten. wiedereröffnetes Berufungsverfahren nach Zurückverweisung. keine Privilegierung gem § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 119 Abs 1 S 2 ZPO. Unterliegen des Berufungsbeklagten im Revisionsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Für das nach Zurückverweisung durch das Revisionsgericht wiedereröffnete Berufungsverfahren ist über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe neu zu entscheiden.
2. Die Privilegierung nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 119 Abs 1 Satz 2 ZPO kommt für das wiedereröffnete Berufungsverfahren nicht zum Tragen, wenn der Berufungsbeklagte im Revisionsverfahren (im Sinne der Aufhebung des ihn begünstigenden Berufungsurteils) unterlegen ist.
Tenor
Der Antrag der Klägerin vom31. Juli 2017 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das wiedereröffnete Berufungsverfahren wird abgelehnt.
Gründe
Der Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin ist mangels Erfolgsaussichten abzulehnen.
Wie die Klägerin geht der Senat davon aus, dass es für das wiedereröffnete Berufungsverfahren einer neuen Entscheidung über Prozesskostenhilfe bedarf, obwohl der Klägerin bereits mit Beschluss vom 31. Januar 2012 zum Az. L 7 R 158/11 (später: L 1 R 158/11) für das Verfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Prozessbevollmächtigten bewilligt worden war. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) für jeden Rechtszug gesondert. Dabei ist, soweit eine Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen wird, das weitere Verfahren vor diesem Gericht rechtsanwaltsvergütungsrechtlich ein neuer Rechtszug (§ 21 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [RVG]) und lediglich auf die Rechtsanwaltsvergütung bezieht sich die beantragte Prozesskostenhilfe.
Entgegen ihrer im Termin am 31. Juli 2017 geäußerten Rechtsansicht kommt der Klägerin auch die Privilegierung des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zugute. Danach ist in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat. Diese Regelung findet hier ihrem Regelungszweck nach für das wiedereröffnete Berufungsverfahren keine Anwendung. Dabei ist bereits allgemein anerkannt, dass § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht ausnahmslos gilt und insbesondere keine Anwendung findet, wenn sich die Sachlage eindeutig geändert hat (BGH, Beschluss vom 11. Januar 1962 - VII ZR 239/60 - BGHZ 36, 280; vgl. auch Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl. 2016, § 119 Rn. 13 m.w.N.).
Eine vergleichbare Situation liegt hier vor: Die Privilegierung des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO soll denjenigen schützen, der in der Vorinstanz obsiegt hat. Diesem Schutzzweck trägt die PKH-Bewilligung für das Berufungsverfahren vom 31. Januar 2012 Rechnung. Weil das wiedereröffnete Berufungsverfahren nach den oben genannten Maßstäben als neuer Rechtszug gilt, entspricht es dem Rechtsgedanken des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO, für das wiedereröffnete Berufungsverfahren zu prüfen, wer im Revisionsverfahren vor dem Bundessozialgericht obsiegt hat. Dies ist vorliegend der Beklagte gewesen, auf dessen Revision die ihn belastende Senatsentscheidung vom 10. Dezember 2014 aufgehoben worden ist.
Diese Auslegung übervorteilt die Klägerin schon deshalb nicht, weil im Falle der Zurückverweisung ohnehin eine Anrechnung der bereits entstandenen - und unter Beachtung der Privilegierung des § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO im Wege der Prozesskostenhilfe abgegoltenen - Verfahrensgebühr auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren erfolgt (Vorbem. 3 Abs. 6 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [VV RVG]). Ferner hätte die Klägerin den Anfall einer erneuten Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV RVG vermeiden können, hätte sie die inzwischen aussichtslose Klage auf den Hinweis des Berichterstatters vom 6. Juni 2017 vor mündlicher Verhandlung am 31. Juli 2017 zurückgenommen.
Erfolgsaussichten hatte die Rechtsverfolgung im Zeitpunkt der Prozesskostenhilfeantragstellung in der mündlichen Verhandlung am 31. Juli 2017 nicht mehr. Der Senat nimmt insoweit auf den Hinweis des Berichterstatters vom 6. Juni 2017 sowie ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 31. Juli 2017 Bezug. Die Klägerin kann auch nicht mit dem Vorbringen gehört werden, hinreichende Erfolgsaussichten hätten zumindest deshalb bestanden, weil der Berichterstatter noch mit Verfügung vom 6. Juni 2017 die Erklärung der Klägerin über die Befreiung der Landeshauptstadt Kiel vom Sozialgeheimnis wegen der sie betreffenden Wohngeldakte angefordert hat. Der Berichterstatter hat bereits in der Verfügung vom 6. Juni 2017 deutlich gemacht, dass der Wohngeldbezug der Klägerin für die relevante Frage ihrer Sozialhilfebedürftigkeit wegen der vermögensunabhängigen Gewährung von Wohngeld keine relevante Aussagekraft hat.
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