Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Diabetes mellitus. Abweichung von den Empfehlungen des Deutschen Vereins bei neuen Erkenntnissen
Orientierungssatz
1. Bei Diabetes mellitus ist grundsätzlich kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren.
2. Der "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs 4 BSHG" der Ärzte im öffentlichen Gesundheitswesen von 1999 und des Landesverbandes Westfalen-Lippe von 2002 sowie das "Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) eV und anderer" gehen den "Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe" aus dem Jahre 1997 wegen aktuellerer Erkenntnisse vor.
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 15. August 2005 wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt ... , K. , wird abgelehnt.
Gründe
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren (S 17 SO 232/05), in dem der an Diabetes mellitus erkrankte Kläger die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung begehrt.
Die am 12. September 2005 erhobene Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht in seinem Beschluss vom 15. August 2005 unter Berufung auf die "Stellungnahme der Deutschen Diabetes Gesellschaft zum Thema 'Mehraufwand für Diabeteskost'" ausgeführt, dass die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Sozialgerichtsgesetz - SGG - in Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -). Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit entsprechend § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe dieses Beschlusses Bezug genommen.
Dem kann - entgegen der Ansicht des Klägers - nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, diese Stellungnahme sei nicht wissenschaftlich fundiert und die Deutsche Diabetes Gesellschaft sei an den Aussagen der Pharmafirmen orientiert. Dem kann schon deswegen nicht gefolgt werden, weil die Stellungnahme der Deutschen Diabetes Gesellschaft übereinstimmt mit den neueren gutachtlichen Aussagen zu der Erforderlichkeit einer Krankenkostzulagen bei Diabetes mellitus. Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 6. September 2005 (L 9 B 186/05 SO ER) ausgeführt, dass nach dem "Rationalisierungsschema 2004 des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (BDEM) e. V. und anderen" sowie dem "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs. 4 BSHG" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom Januar 2002 bei Diabetes mellitus eine diabetesorientierte kalorienreduzierte, fettarme und ballaststoffreiche Ernährung gegebenenfalls unter Nutzung der auch in Discountketten angebotenen speziell für Diabetiker geeigneten Nahrungsmitteln angezeigt ist, ohne dass ein finanzieller Mehraufwand entsteht. Nach beiden Stellungnahmen gilt das nicht nur bei einem Diabetes mellitus mit Übergewicht, sondern auch bei Normalgewicht. In beiden Fällen wird eine normale Vollkost bzw. eine ausgewogene Mischkost empfohlen, die einer gesunden Normalkost entspricht. Daher ist unerheblich, ob der Kläger hier übergewichtig ist oder nicht. Einigkeit besteht jedenfalls darüber, dass Mehrkosten nicht entstehen. Insofern kann dem Kläger nicht darin gefolgt werden, dass der im Eckregelsatz enthaltene Ernährungsanteil nicht den tatsächlichen Kosten für eine gesunde Vollkost im ernährungswissenschaftlichen Sinne entspricht. Wie der beschließende Senat und die angeführten gutachterlichen Stellungnahmen darstellen, entstehen gerade keine höheren Kosten als bei einer normalen gesunden Mischkost, die inzwischen in jedem Lebensmittelgeschäft erhältlich ist.
Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, dass für die Beurteilung der Notwendigkeit einer Krankenkostzulage ausschließlich die neueren "Empfehlungen des Deutschen Vereins für die Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe" (Kleinere Schriften des Deutschen Vereins, 2. Aufl., 1997) heranzuziehen sind. Wie bereits das Oberverwaltungsgericht Schleswig (Beschluss vom 26. März 2003 - 2 MW 159/02 -) ausgeführt hat, geben diese Empfehlungen als antizipiertes Sachverständigengutachten sowohl den Verwaltungsgerichten wie auch den Sozialhilfeämtern verlässliche Informationen zwecks einheitlicher Verwaltungshandhabung. Von diesen soll daher nur abgewichen werden, wenn die dort zugrunde gelegten Annahmen durch neue Erkenntnisse erschüttert oder die dort festgelegten Mehrbeträge aufgrund der Preisentwicklung überholt seien. Bereits der Begutachtungsleitfaden des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe vom Januar 2002 als auch das Rationalisierungsschema 2004 stellen aber solche neuen Erkenntnisse dar, so dass von den Empfehlungen des...