Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Fehlen eines Anordnungsgrundes wegen der Zumutbarkeit des Einsatzes von eigenem Vermögen
Leitsatz (amtlich)
Der Anordnungsgrund als Voraussetzung einer einstweiligen Anordnung setzt das Fehlen zumutbarer Selbsthilfemöglichkeiten, zu denen auch der Einsatz eigenen Vermögens gehört, voraus.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 23. Dezember 2010 geändert.
Der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird insgesamt abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine Hyperthermie-Therapie durch die Antragsgegnerin.
Die 1964 geborene und bei der Antragsgegnerin gesetzliche versicherte Antragstellerin leidet an einer Krebserkrankung. Sie begab sich im März 2010 in die Behandlung des nicht mehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Facharztes für Radiologie und Strahlentherapie Dr. B., der Hyperthermie als alternative Krebstherapie im Rahmen der Chemoradiotherapie erbringt. Auf ihren Antrag auf Kostenübernahme hin ließ die Antragsgegnerin vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nord ein Gutachten erstellen, lehnte mit Bescheid vom 17. Mai 2010 eine Kostenübernahme ab und wies mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2010 den Widerspruch der Antragstellerin zurück. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zur Erkrankung der Antragstellerin, dem Therapieansatz durch Dr. B. und der Einschätzung des MDK sowie auch im Übrigen verweist der Senat auf die Darstellung in dem angefochtenen Beschluss.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat die Antragstellerin am 15. November 2010 Klage erhoben und mit gleichem Datum den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet wird, vorläufig die Kosten für bereits erfolgte und künftigen Hyperthermie-Behandlungen zu übernehmen. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide unter einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Alternative Behandlungen reichten allein nicht aus. Es bestehe eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung und eine spürbare positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf durch die Hyperthermie-Behandlung. Aufgrund dieser Behandlung seien bereits deutliche Verbesserungen zu verzeichnen. Andere Therapien, konkret Strahlen- oder Chemotherapien, seien nicht ausreichend. Es bestehe Eilbedürftigkeit, die Antragstellerin bezahle die Rechnungen z. T. selbst. Dr. B. habe sich ausnahmsweise zur Teilzahlung bereiterklärt, ohne jedoch auf die Forderungen insgesamt zu verzichten. Da sie kaum finanzielle Reserven habe, werde ihr selbst die anteilige Zahlung künftig nicht mehr möglich sein. Ohne die Hyperthermie-Behandlung drohe wieder eine Verschlechterung. Dazu hat die Antragstellerin umfangreiches Befund- und Behandlungsmaterial vorgelegt. Die Antragsgegnerin hat die Ablehnung einer einstweiligen Anordnung beantragt und auf das Gutachten des MDK hingewiesen. Da vertragliche Behandlungsmöglichkeiten unzweifelhaft bestünden, habe sie, die Antragsgegnerin, Zweifel am Anordnungsgrund. Dr. B. hat einen umfassenden Bericht vorgelegt.
Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2010 die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin die Kosten für bis zu 50 ab dem 15. November 2010 durchgeführte Elektrohyperthermie-Applikationen - bis zu 20 im Bereich des Gehirns und bis zu 30 im Bereich der entfernten Leber- und Lymphknotenmetastasen - zu übernehmen. Den weitergehenden Antrag hat es abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Für die Zeit vor Antragstellung am 15. November 2010 beim Gericht fehle es an der für die einstweilige Anordnung vorausgesetzten Dringlichkeit der Angelegenheit, für die Zeit danach lägen deren Voraussetzungen hingegen vor, seien aber auf die im Tenor festgelegten Applikationen umfangmäßig entsprechend der Aussage des behandelnden Arztes zu beschränken. Hinsichtlich des Anordnungsgrundes habe die Antragstellerin glaubhaft dargelegt, dass ihr selbst anteilige Zahlungen künftig nicht mehr möglich seien. Hinsichtlich des Anordnungsanspruchs sei zu berücksichtigen, dass es hier um existenziell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung gehe, bei denen anstelle der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine abschließende Bewertung geboten sei. Könne eine solche nicht erfolgen, sei eine Folgenabwägung vorzunehmen, bei der die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägungen einzustellen seien. Eine solche abschließende Prüfung, ob der Antragstellerin ein Anspruch auf Hyperthermie-Behandlung zustehe, sei in dem Eilverfahren nicht möglich. Zwar habe der Gemeinsame Bundesausschuss die Hyperthermie als von den vertragsärztlichen Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich ausgeschlossene Behandlungsmethoden mit Beschluss vom 14. Mai 20...