Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Schulbegleitung im Unterricht. Notwendigkeit der Leistung

 

Leitsatz (amtlich)

Es läuft dem Zweck der Eingliederungshilfe zuwider, wenn durch eine Schulbegleitung im Unterricht die Eigenständigkeit des minderjährigen Schülers nicht gefördert, sondern vielmehr eine dauernde Abhängigkeit von persönlicher Assistenz verfestigt wird.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 30. August 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Antragstellers sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die am Montag, dem 1. Oktober 2018, eingegangene Beschwerde des im ... 2007 geborenen Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 30. August 2018 mit dem Antrag,

den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 30. August 2018 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung im Wege der Schulbegleitung während der Dauer des Schulbesuchs des Antragstellers mit Ausnahme der Mittagspause und der Klassenlehrerstunde und des Sportunterrichts für das 1. Halbjahr des Schuljahres 2018/2019 zu gewähren,

hilfsweise,

den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 30. August 2018 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, dem Antragsteller Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur Erlangung einer angemessenen Schulbildung im Wege der Schulbegleitung während der Dauer der Deutsch- und Englischstunden für das 1. Halbjahr des Schuljahres 2018/2019 zu gewähren,

ist zulässig, aber nicht begründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dargestellt und den seinerzeit (lediglich) mit dem (jetzigen) Hauptantrag geltend gemachten Anspruch des Antragstellers auf die begehrte Leistung zu Recht jedenfalls mangels eines hinreichend glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs verneint. Das Sozialgericht hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, die Einschränkung des Antragstellers bestehe in irreversiblen, erkrankungsbedingten Bewegungsstörungen. Das Gericht sei im Ergebnis davon überzeugt, dass der Antragsteller keinen Anspruch (mehr) auf eine Schuldbegleitung gegenüber dem Antragsgegner habe. Dabei sei insbesondere zu beachten, dass der Antragsteller bereits seit längerer Zeit eine entsprechende Betreuung erhalten habe, die ausweislich der vorliegenden Berichte dem Antragsteller die Aufgaben abnehme, die er als zu aufwändig empfinde. Aus dem Hospitationsbericht sei zudem zu entnehmen, dass der Antragsteller sich mit Fragen vorrangig an die Schulbegleitung und nicht an die Lehrkraft wende. Das laufe dem Zweck der Eingliederungshilfe offensichtlich zuwider; denn mit einer solchen Tätigkeit werde keine Eingliederung erreicht, sondern eine dauernde Abhängigkeit von persönlicher Assistenz. Eine Fortsetzung dieser, die Selbstständigkeit behindernden Assistenz im Rahmen der Eingliederungshilfe komme daher nicht in Betracht. Darüber hinaus erfülle die Schulbegleitung bislang ausschließlich Aufgaben, die ohnehin der Zuständigkeit der Schule unterfielen. Insoweit hat das Sozialgericht Ausführungen zu der nach § 6 der Landesverordnung über die Erteilung von Zeugnissen, Noten und anderen ergänzenden Angaben in Zeugnissen (Zeugnisverordnung - ZVO) getroffenen Regelung über die Gewährung eines Nachteilsausgleichs für Schüler mit einer langandauernden oder vorübergehenden erheblichen Beeinträchtigung der Fähigkeit, ihr vorhandenes Leistungsvermögen darzustellen, gemacht. Im Einzelnen hat es dabei auf die in § 6 Abs. 4 ZVO ausdrücklich als durch die Schule zu erbringende Formen des Nachteilsausgleichs abgestellt und diese im Einzelnen benannt. Jene Regelungen sähen die erforderlichen Maßnahmen vor, um dem Antragsteller eine möglichst selbstständige Teilhabe am Schulunterricht zu ermöglichen. Es liege daher im Aufgabenbereich der Schule, durch geeignete Maßnahmen des Nachteilsausgleichs (z. B. Aushändigung umfangreicherer Tafelbilder zur Vermeidung längerer Mitschriften [Nr. 5 des § 6 Abs. 4 ZVO], Bereitstellen spezieller Arbeitsmittel wie vorgefertigte Koordinatensysteme [Nr. 2] oder größere Toleranz bei der Bewertung von geometrischen oder zeichnerischen Aufgaben [Nr. 7]) dafür zu sorgen, dass der Antragsteller möglichst selbstständig am Unterricht teilhaben könne. Dieses werde durch eine Schulbegleitung, die ihm - wie offensichtlich bislang - unliebsame Aufgaben beim Mitschreiben usw. abnehme, hingegen nicht erreicht.

Der Senat teilt nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage im Beschwerdeverfahren die vom Sozialgericht aufgeführten Gründe für die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung und verweist zunächst zur Ver...

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