Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. einstweilige Anordnung. Anordnungsgrund. Eilbedürftigkeit. rückständige Krankenversicherungsbeiträge. Anordnungsanspruch. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Berücksichtigung von Partnereinkommen. Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Konnte ein Hilfebedürftiger für einige Monate die Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung nicht bedienen, ist aber eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Krankenkasse abgeschlossen oder erscheint diese aufgrund aktuellem Erwerbseinkommen zumutbar, so vermittelt ein mögliches Ruhen der Krankenversicherungsansprüche nach § 16 Abs 3a SGB V kein eiliges Regelungsbedürfnis für die Zeit vor Eilantragstellung bei Gericht.
2. Nur bei Vorliegen gewichtiger Umstände im Einzelfall kann von der Jahresfrist gemäß § 7 Abs 3a Nr 1 SGB II nach unten abgewichen werden.
3. Ein Verlöbnis begründet derart gewichtige Umstände nicht, wenn es wieder gelöst worden ist und daraufhin ein vorübergehender Auszug eines Partners erfolgt ist.
4. Die Versorgung von Kindern im Sinne von § 7 Abs 3a Nr 3 SGB II ist restriktiv auszulegen, um einen Wertungswiderspruch zu Nr 1 der Vorschrift zu vermeiden. Eine Unterschreitung der Jahresfrist ist auch beim Zusammenleben mit den Kindern des neuen Partners nur gerechtfertigt, wenn ein wesentlicher Anteil der Betreuungsleistungen durch den Stiefelternteil erbracht wird. Schulfahrdienste und die Einbeziehung der Kinder in die Hobbys des neuen Partners (hier Angeln) reichen dafür nicht aus.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 2. März 2022 abgeändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, der Antragstellerin vom 6. bis 31. Januar 2022 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes ohne Anrechnung des Einkommens ihres Lebensgefährten zu gewähren.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner erstattet der Antragstellerin 1/3 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten für das gerichtliche Eilverfahren.
Gründe
I.
Die 1982 geborene Antragstellerin begehrt die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II).
Die Antragstellerin ist zum 1. März 2021 aus S mit ihren beiden 2006 und 2008 geborenen Kindern in die Wohnung ihres Partners in T gezogen, mit dem sie zu diesem Zeitpunkt bereits seit Ende Mai 2020 eine Beziehung führte.
Sie bezog daraufhin kurzzeitig für März 2021 von dem Antragsgegner Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Für die Zeit ab April 2021 erfolgte keine Leistungsgewährung in Hinblick auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit der Antragstellerin zum 1. April 2021 und das damit zu erwartende Einkommen.
Beide Kinder der Antragstellerin beziehen Kindergeld, Unterhaltsvorschussleistungen durch das Jugendamt und Kindesunterhalt durch den Kindesvater in Höhe von insgesamt 533,- € monatlich. Bei dem 2006 geborenen Sohn der Antragstellerin ist zudem der Pflegegrad 2 nach dem Sozialgesetzbuch, 11. Buch (SGB XI) anerkannt und für ihn wird Pflegegeld in Höhe von 316,- € monatlich gezahlt.
Zunächst telefonisch stellte die Antragstellerin am 30. November 2021 erneut einen Antrag auf Gewährung von Leistungen des SGB II gegenüber dem Antragsgegner.
Im darauffolgenden Verwaltungsverfahren erfolgte keine Leistungsgewährung. Die Beteiligten waren unterschiedlicher Auffassung zur Einbeziehung des Partners der Antragstellerin in die Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 3a SGB Da die aus seiner Sicht erforderlichen Unterlagen zu Einkommen und Vermögen des Partners der Antragstellerin sowie auch noch einzelne für erforderlich geachtete Unterlagen der Antragstellerin durch diese nicht vorgelegt wurden, versagte der Antragsgegner die Leistungsgewährung zunächst vorläufig wegen mangelnder Mitwirkung mit Bescheid vom 3. Januar 2022.
Am 6. Januar 2022 hat die Antragstellerin bei dem Sozialgericht Schleswig einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.
Im gerichtlichen Eilverfahren sind weitere Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Antragstellerin vorgelegt worden. Der Antragsgegner hat daraufhin bestätigt, dass mittlerweile alle erforderlichen Unterlagen vorlägen soweit sie die Antragstellerin beträfen, es aber noch an Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Partners der Antragsteller mangele.
Die Antragstellerin hat zum 24. Januar 2022 ein Arbeitsverhältnis bei der Firma W aufgenommen, welches aber mit Wirkung zum 7. März 2022 wieder gekündigt wurde. Die Antragstellerin erhielt im Februar 2022 aus diesem Arbeitsverhältnis Einkommen in Höhe von insgesamt 1155,- €. Direkt im Anschluss an diese Erwerbstätigkeit hat die Antragstellerin ein Arbeitsverhältnis bei der T1-Tankstelle in S1 im Umfang einer 25 Stunden Woche bei einem Stundenlohn von 12,- € aufgenommen.
D...