Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss der Beschwerde gegen die Ruhensanordnung des Gerichts

 

Orientierungssatz

1. Das Ruhen des Verfahrens kann auf Antrag der Beteiligten nach § 202 SGG i. V. m. § 251 ZPO angeordnet werden.

2. Die Beschwerde des § 172 Abs. 1 SGG gegen die Ruhensanordnung des Sozialgerichts ist grundsätzlich statthaft. Weil aber ein Beteiligter jederzeit durch einseitigen Antrag die Fortsetzung des ruhend gestellten Verfahrens beantragen kann, fehlt das für eine Entscheidung über die erhobene Beschwerde erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Einer Aufhebung der Ruhensanordnung im Rechtsmittelverfahren bedarf es infolgedessen nicht.

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 4. November 2015 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

In dem bei dem Sozialgericht Itzehoe unter dem Az. S 2 AS 692/15 geführten Klageverfahren streiten die Beteiligten um Kosten der Unterkunft und Heizung im Leistungszeitraum Mai bis Oktober 2015. Dabei geht es vorrangig um die Übernahme des Betriebsstroms für den Betrieb der Heizungsanlage in dem Haus der Kläger. Mit Schriftsatz vom 9. September 2015 wies der Prozessbevollmächtigte der Kläger darauf hin, dass die maßgebende Rechtsfrage derzeit Gegenstand eines Revisionsverfahrens vor dem Bundessozialgericht (BSG) sei, so dass es ggf. sinnvoll sei, die grundsätzliche Klärung durch das BSG abzuwarten. Eine Ruhendstellung erscheine im Hinblick auf die Verfahrenslaufzeiten des Sozialgerichts nicht erforderlich. Nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2015 die Ruhendstellung des Verfahrens beantragt hatte, führte der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 aus, dass es - aus bestimmten Gründen - in der Tat sachdienlich erscheine, das Verfahren ruhend zu stellen. Bevor jedoch eine abschließende Äußerung zur Ruhendstellung erfolge, werde um Entscheidung über den gestellten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) gebeten.

Mit Beschluss vom 4. November 2015 hat das Sozialgericht das Ruhen des Verfahrens angeordnet und ausgeführt, dass diese Anordnung auf Antrag der Beteiligten erfolge. Gegen den Ruhensbeschluss richtet sich die am 12. November 2015 eingegangene Beschwerde, mit der unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 ausgeführt wird, eine klägerseitige Zustimmung zur Ruhensanordnung liege - noch - nicht vor. Eine Zustimmung sei lediglich für den Fall der gerichtlichen Entscheidung über den PKH-Antrag in Aussicht gestellt worden. Der Beklagte tritt der Beschwerde entgegen und verweist darauf, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Ruhendstellung sehr wohl als sachdienlich bezeichnet habe. Eine Verknüpfung der Zustimmung mit einer Entscheidung über den PKH-Antrag sei nicht zulässig.

II.

Die Beschwerde der Kläger gegen die Ruhensanordnung des Sozialgerichts vom 4. November 2015 ist unzulässig. Zwar ist die Beschwerde gegen einen das Ruhen des Verfahrens anordnenden Beschluss des Sozialgerichts nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Grundsatz statthaft. In Fällen wie dem vorliegenden fehlt indessen das Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung. Denn ein (Haupt-) Beteiligter kann jederzeit durch einseitigen Antrag die Fortsetzung ruhend gestellter Verfahren beantragen (§ 202 SGG i.V.m. §§ 250, 251 Zivilprozessordnung). Einer Aufhebung der Ruhensanordnung im Rechtsmittelverfahren bedarf es insoweit nicht (so auch Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Beschluss vom 15. April 2014, L 20 R 259/14 B; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21. Juni 2012, L 6 AS 940/12 B; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Oktober 2011, L 6 VK 3403/11 B, jeweils zitiert nach juris).

Unabhängig von Vorstehendem weist der Senat darauf hin, dass er den Beschluss vom 4. November 2015 für rechtswidrig hält, weil das für eine Ruhensanordnung erforderliche Einverständnis beider Beteiligter (vgl. dazu allg. Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., Vor § 114 Rz 4 m.w.N.) hier nicht vorgelegen hat. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 19. Oktober 2015 ausdrücklich (noch) keine abschließende Erklärung zur Ruhendstellung abgegeben, sondern zunächst um Bescheidung des PKH-Antrags gebeten. Warum dies - wie der Beklagte meint - unzulässig sein sollte, erschließt sich dem Senat nicht.

Zu einer Kostenentscheidung sieht der Senat keinen Anlass, weil es hier um die Beschwerde gegen eine Zwischenentscheidung in einem anhängigen Rechtsstreit geht. Ein selbständiger Verfahrensabschnitt liegt insoweit nicht vor (vgl. allg. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI9017220

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