Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Versäumung der Berufungsfrist. elektronischer Rechtsverkehr. formgerechte Einreichung einer Berufungsschrift per De-Mail. Absenderauthentifizierung. signierende und verantwortende Person. Personenidentität. Übersendung einer Berufungsschrift auf dem Postweg. eingescannte Unterschrift. Nichtwahrung der Schriftform. Rechtsmittelbelehrung. Anforderungen des § 66 Abs 1 SGG. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Nachholung der versäumten Rechtshandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine per De-Mail an das EGVP des Gerichts versandte Berufungsschrift genügt nur dann der elektronischen Form, wenn sich der Absender die sichere Anmeldung gemäß § 5 Abs 5 De-Mail-G bestätigen lässt. Die Absenderauthentifizierung muss sich grundsätzlich aus dem Prüf- oder Transfervermerk des Gerichts ergeben (§ 5 Abs 5 S 5 De-Mail-G).
2. Die wirksame Einreichung per De-Mail setzt voraus, dass die Person, deren (einfache) Signatur auf dem Dokument aufgebracht ist, mit der verantwortenden Person identisch ist. Dies gilt auch dann, wenn eine Vollmacht der verantwortenden Person für die Person, deren Signatur auf dem Dokument aufgebracht ist, nach § 73 Abs 6 S 3 SGG unterstellt werden könnte.
3. Bei einer auf dem Postweg übersandten Berufungsschrift ist die Schriftform grundsätzlich nicht gewahrt, wenn das Dokument mit einer eingescannten Unterschrift versehen ist.
4. Die Rechtsmittelbelehrung genügt den Anforderungen des § 66 Abs 1 SGG, wenn sie die für die Einreichung in elektronischer Form geltenden Anforderungen des § 65a Abs 2-4 SGG in ihren Grundzügen richtig darstellt und wegen der Anforderungen im Einzelnen auf das Justizportal des Bundes und der Länder verweist.
5. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt in jedem Fall voraus, dass die versäumte Rechtshandlung nachgeholt wird (§ 67 Abs 2 S 3 SGG).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Lübeck vom 4. August 2020 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in der Sache über einen Anspruch der Klägerin auf Krankengeld für den Zeitraum 16. April bis 30. Juni 2016.
Die 1975 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit März 2013 wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld II gesetzlich krankenversichert. Am Morgen des 6. Juli 2015 schloss sie mit einem Leiharbeitsunternehmen einen bis zum 8. Oktober 2015 befristeten Arbeitsvertrag als Lagerarbeiterin. Auf dem Rückweg von der Vertragsunterzeichnung stürzte sie und zog sich eine Wirbelsäulenprellung zu. Das Arbeitsverhältnis wurde seitens der Arbeitgeberin in der Probezeit mit Wirkung zum 13. Juli 2015 gekündigt. Die Arbeitgeberin zahlte für die Dauer des Arbeitsverhältnisses Arbeitsentgelt.
Der die Klägerin behandelnde Arzt R hatte Arbeitsunfähigkeit zunächst vom 6. bis 10. Juli 2015 festgestellt. Folgebescheinigungen wurden durch R und schließlich durch W bis zum 30. Juni 2016 ausgestellt. Die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft hatte der Klägerin zunächst bis zum 24. Juli 2015 Verletztengeld gewährt. Im Anschluss daran gewährte die Beklagte ihr vom 25. Juli 2015 an bis 15. April 2016 Krankengeld in Höhe von kalendertägig 30,27 EUR brutto.
Zur Prüfung der weiteren Voraussetzungen der Arbeitsunfähigkeit holte die Beklagte am 23. Februar 2016 ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ein. L gelangte am 29. März 2016 zu dem Ergebnis, dass Arbeitsunfähigkeit aus medizinischer Sicht nicht weiter bestehe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten (Bl. 90 ff. der Leistungsakte) Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 30. März 2016 gewährte die Beklagte der Klägerin Krankengeld nur noch bis zum 15. April 2016 und berief sich zur Begründung auf das Gutachten von L. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 98 der Leistungsakte Bezug genommen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10. April 2016 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, weiter arbeitsunfähig zu sein.
Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte weitere gutachterliche Stellungnahmen des MDK (L) ein. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 115 und 126 der Leistungsakte Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2016 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte sie ihre Begründung des Ausgangsbescheids. Es bestehe keine weitere Arbeitsunfähigkeit.
Gegen den Bescheid vom 30. März 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. September 2016 hat die Klägerin am 1. Oktober 2016 Klage beim Sozialgericht Lübeck erhoben.
Sie hat zur Begründung ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Es habe weiterhin Arbeitsunfähigkeit bestanden. Da sie zwischenzeitlich erneut ein Beschäftigungsverhältnis aufgenommen und wegen erneuter Arbeitsunfähigkeit wiederum Krankengeld bezogen habe, werde Krankengeld nur für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2016 begehrt.
Sie hat beantragt,
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