Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. kein Rollstuhl-Bike für Erwachsene

 

Leitsatz (amtlich)

Die Versorgung eines Erwachsenen mit einem Rollstuhl-Bike ist keine erforderliche Hilfsmittelversorgung iS des § 33 Abs 1 SGB 5 (vgl BSG vom 16.4.1998 - B 3 KR 9/97 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 27).

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 7. März 2000 abgeändert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für ein Speedy-Bike (Handy-Bike) durch die Beklagte.

Der ... 1955 geborene Kläger ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Er ist querschnittsgelähmt mit einer Ebene bei C6/C7. Am 16. April 1998 reichte er der Beklagten den Kostenvoranschlag für ein Speedy-Bike (therapeutische Antriebshilfe für den Rollstuhl einschließlich Planetengetriebe, Kinnschaltung für Speedy-Bike Sonderbau, Tetra-Griffen und Kunststoffkette) über 6.606,49 DM ein. Eine Verordnung des Arztes für Allgemeinmedizin S, N, vom 16. März 1998 war beigefügt. Mit Bescheid vom 30. April 1998 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, bei einem Speedy-Bike handele es sich nicht um ein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern um eine muskelbetriebene Zugvorrichtung als Vorsatz für einen Rollstuhl. Der Kläger trug daraufhin vor, für ihn sei es nicht möglich, größere Entfernungen allein mit dem Greifreifenrollstuhl zurückzulegen. Der Überwindung der größeren Entfernungen diene die Kombination von Rollstuhl und Speedy-Bike, das wesentlich preisgünstiger sei als die ansonsten notwendige Versorgung mit einem Elektrorollstuhl. Mit weiterem Bescheid vom 15. Mai 1998 lehnte die Beklagte den Antrag erneut ab und führte aus, ein Speedy-Bike sei kein Hilfsmittel der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handele sich um eine muskelbetriebene Zugvorrichtung als Vorsatz für einen Rollstuhl, nicht aber um ein Hilfsmittel.

Gegen die Entscheidung legte der Kläger am 4. Juni 1998 Widerspruch ein, mit dem er ausführte, als Tetraplegiker sei es ihm nicht möglich, sich außerhalb des Hauses allein mit einem Greifreifenrollstuhl fortzubewegen. Ein Elektrorollstuhl sei nicht zweckmäßig, da er sich ohne fremde Hilfe nicht übersetzen könne. Ein Speedy-Bike ermögliche es ihm, sich auch außerhalb des Hauses selbstständig fortzubewegen. Es sei kostengünstiger als andere muskelkraftbetriebene Rollstuhlzuggeräte. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 1998 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte aus, die Versorgung mit einem Rollstuhleinhängefahrrad sei nicht erforderlich, denn der Kläger sei mit mehreren Rollstühlen versorgt, die ihm eine ausreichende Bewegungsfreiheit zur Erfüllung seiner Grundbedürfnisse ermögliche. Es könne auch nicht zur Durchführung therapeutischer Übungsbehandlungen angeschafft werden. Zwar sei das Einhängefahrrad geeignet, den Gesundheitszustand zu verbessern. Jedoch seien die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung darauf gerichtet, im Krankheitsfall die zur Heilung oder Linderung der Krankheit sowie zum Ausgleich von ausgefallenen geistigen oder körperlichen Funktionen erforderlichen Mittel und Maßnahmen zur Verfügung zu stellen, nicht hingegen die wegen der Krankheit notwendig werdenden Hilfen im Bereich der Lebensführung zu bieten. Eine Maßnahme, die nicht primär auf die medizinische Bekämpfung der Krankheit abziele, sondern lediglich dazu diene, den allgemeinen körperlichen Zustand des Versicherten günstig zu beeinflussen, löse keine Leistungsansprüche aus.

Gegen die Entscheidung hat der Kläger am 28. Oktober 1998 beim Sozialgericht Schleswig Klage erhoben. Er hat sich auf eine gutachterliche Stellungnahme des leitenden Arztes der Abteilung für Rückenmarksverletzte der Berufsgenossenschaftlichen Klinik Bergmannsheil in B, Dr. B, vom 22. April 1994 bezogen und ausgeführt, die Beklagte habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Der therapeutische Nutzen eines Rollstuhl-Bikes bestehe vor allem darin, dass einseitige Belastungs- und Verschleißerscheinungen, die regelmäßig durch das Rollstuhlfahren entstünden, vermieden würden. Im Übrigen sei ein Rollstuhl-Bike wirtschaftlich, da kostengünstiger als ein alternativer Elektrorollstuhl.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. September 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für einen Rollstuhleinhängefahrrad (Rollstuhl-Bike/Speedy-Bike) zu übernehmen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

und unter Ergänzung der angefochtenen Bescheide ausgeführt, bereits aus rechtlichen Gründen sei die Versorgung mit einem Speedy-Bike ausgeschlossen. Es sei zu erwägen, mit welchen anderen Hilfsmitteln, z. B. mit einem Handheberollstuhl, der Kläger versorgt werden könne. Auch das allgemeine Grundbedürfnis, selbs...

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