Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Versorgung mit einem Rollstuhl-Hand-Bike

 

Orientierungssatz

1. Ein sog. Rollstuhl-Hand-Bike ist einem Querschnittsgelähmten von der Krankenkasse als Hilfsmittel dann nicht zur Verfügung zu stellen, wenn dieses nicht erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen.

2. Stehen hierzu weniger aufwändige und wirtschaftlichere Therapiemaßnahmen zur Verfügung, so ist der Versicherte damit von der Versorgung ausgeschlossen.

3. Aufgabe der Krankenversicherung ist allein die medizinische Rehabilitation. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, die auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist hingegen Aufgabe anderer Leistungssysteme.

4. Kann sich der Versicherte im Nahbereich seiner Wohnung mittels eines Greifrollstuhles selbständig bewegen, so ist dessen Versorgung mit einem Rollstuhl-Hand-Bike ausgeschlossen. Besonderheiten des Wohnortes sind dabei für die Erforderlichkeit des Hilfsmittels nicht maßgeblich.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch über Versorgung mit einem Rollstuhl-Hand-Bike (Speedy-Bike) zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der am 00.00.1963 geborene Kläger lebt seit 1992 in Deutschland und hat seit 1998 die deutsche Staatsangehörigkeit. Er ist aufgrund einer 1987 erlittenen Schussverletzung ab dem Segment Th 4 querschnittsgelähmt. Er ist u.a. mit einem Greifreifenrollstuhl (Aktivrollstuhl Sopur Easy 300 der Firma MEYRA) versorgt. Er ist als Schwerbehinderter anerkannt nach einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen G, aG, H, B. Bis 30.04.2004 war er Mitglied der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK); seit 01.05.2004 ist er Mitglied der Beklagten. Einen ersten Antrag auf Versorgung mit einem Speedy-Bike hatte die DAK 2003/2004 abgelehnt. In einem dagegen angestrengten sozialgerichtlichen Verfahren (SG Aachen - S 6 KR 46/04) hatte der Kläger am 28.04.2006 die Klage zurückgenommen.

Am 17.07.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit einem Speedy-Bike. Er legte hierzu eine entsprechende Hilfsmittelverordnung der Internisten T. vom 22.06.2006 und einen Kostenvoranschlag des Sanitätshaus K. vom 13.07.2006 über 3.047,96 EUR vor. In einer weiteren Bescheinigung vom 19.09.2006 teilte der Internist L. mit, der Kläger sei immobil und auf einen Rollstuhl angewiesen; die oberen Extremitäten könnten bewegt werden; zur Erhaltung und Förderung der Restmobilität und zur Vorbeugung von Folgeerkrankungen sei das Speedy-Bike verordnet worden.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 19.10.2006 den Hilfsmittelantrag unter Hinweis auf die fehlende medizinische Notwendigkeit für eine Versorgung mit dem Speedy-Bike ab.

Dagegen legte der Kläger am 14.11.2006 Widerspruch ein. Er machte geltend, das Speedy-Bike würde es ihm ermöglichen, sich im außerhäuslichen Nahbereich selbstständig fortzubewegen; Dinge des alltäglichen Lebens wie Einkäufe, Arzt- und Apothekenbesuche, Behördengänge sowie die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben und die Pflege sozialer Kontakte würden ihm damit ermöglicht.

In einer weiteren von der Beklagten eingeholten MDK-Stellungnahme stellte Dr. K. fest, die Mobilität des Klägers sei mit dem vorhandenen Rollstuhl ausreichend gesichert; eine sozialmedizinische Indikation für das Speedy-Bike bestehe nicht. Gestützt hierauf wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 20.06.2007 zurück. Ergänzend wies sie darauf hin, dass das Bundessozialgericht (BSG) in 2 Urteilen (B 3 KR 8/98 R und B 3 KR 29/99 R) festgestellt habe, dass ein Speedy-Bike bei Erwachsenen keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung sei.

Dagegen hat der Kläger am 02.07.2007 Klage erhoben. Er vertritt die Auffassung, das Speedy-Bike sei als Hilfsmittel zum Ausgleich seiner Behinderung erforderlich. Soweit die Beklagte ihre ablehnende Auffassung auf die Rechtsprechung des BSG stütze, lasse ihre Entscheidung die auch vom BSG geforderte Einzelfallprüfung vermissen. Durch den Aufbau und die Funktionsweise des Speedy-Bikes sei für den Rollstuhlfahrer 80 % weniger Kraftaufwendung erforderlich um sich fortzubewegen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2007 zu verurteilen, ihn mit einem Rollstuhl-Hand-Bike (Speedy-Bike) zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheiden vertretenen Auffassung.

Das Gericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts eine Auskunft des Sanitätshaus K. und einen Befundbericht des Hausarztes L. eingeholt. Wegen des Ergebnisses wird auf die Auskunft vom 15.11.2007 und den Befundbericht vom 23.12.2007 verwiesen.

Wegen der...

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